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Luftkurmord

Luftkurmord

Titel: Luftkurmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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nicht egal war, auch
wenn er es nicht zugeben wollte. Noch nicht einmal sich selbst gegenüber.
    »Was ist egal?«
    Er zuckte zusammen,
bückte sich und steckte den Kopf aus der Tür.
    »Hallo.« Judith
Bleuler schickte ihm ein zaghaftes Lächeln, während sie zu ihm aufsah. Sie trug
jetzt Jeans und eine bunte Bluse und hatte den Zopf locker über die Schulter
gelegt.
    »Sie sehen so anders
aus«, rutschte es Kai Rokke heraus, »also, so ohne Uniform.«
    »Ich bin nicht mehr
im Dienst.«
    »Und was machen Sie
dann hier?« Er räusperte sich.
    »Mir ist etwas nicht
aus dem Kopf gegangen, und weil ich wusste, wo ich Sie finde, dachte ich mir,
ich besuche Sie einfach.«
    »Haben Sie keine
Angst?«
    »Nein. Sollte ich?«
    »Nein. War nur ein
blöder Spruch.«
    »Klopfen Sie öfter
blöde Sprüche?« Sie grinste, und Kai Rokke merkte, wie ihm die Situation total
entglitt, wenn er sie jemals unter Kontrolle gehabt hatte, was er stark
bezweifelte.
    »Also, was ist
egal?« Judith Bleuler hob ihre Hand an die Stirn, als ob sie von der Sonne
geblendet würde, und blinzelte ihn an.
    »Nichts. Ich habe
nur nachgedacht. Nichts ist egal.« Er sah sie an. »Jetzt Sie. Was ist Ihnen
nicht aus dem Kopf gegangen? Die Tasche?«
    »Auch«, sagte sie,
»aber nicht nur.« Sie trat einen Schritt zur Seite, ein wenig mehr in den
Schatten hinein.
    »Wollen Sie gerne
hereinkommen? Ich habe mir gerade etwas zu essen gemacht.« Er wies mit der Hand
ins Innere des Wohnmobils, als ob er sie zu einem Restauranttisch führen
wollte. Sie nickte und folgte ihm. Mit einigen schnellen Handgriffen verstaute
er das Werkzeug in einem der Hängeschränke und schob die Halterung der »Lydia«
an den Rand der Tischplatte. Judith Bleuler setzte sich auf die Bank und
verschränkte die Hände. Kai Rokke fielen ihre schmalen Finger und die breite
weiße Narbe auf, die sich quer über ihren linken Handrücken zog.
    Er nahm zwei Teller
aus einem Schrank, zog das Besteck aus einer Schublade und stellte alles mit
den Nudeln und dem Käse zu dem Ketchup auf den Tisch. »Mehr ist nicht da.«
    »Okay.«
    »Was zuerst? Das
›auch‹ oder das ›nicht nur‹?«, fragte er und griff zur Gabel.
    »Erst das ›auch‹.«
Judith Bleuler setzte sich aufrecht hin. Selbst ohne ihre Uniform wirkte sie in
dieser Haltung wie eine Polizistin. »Warum ist Ihnen die Tasche aufgefallen?«
    Er runzelte die
Stirn.
    »Ich meine, Sie sind
ein Mann.« Judith drehte mit der Gabel einige Nudeln zu einer kleinen Portion,
aß sie aber nicht. »Männer achten für gewöhnlich nicht auf Handtaschen.«
    »Meine Exfreundin
hatte eine ähnliche Tasche. Als die Frau gestern Abend hier vorbeiging, dachte
ich für einen Augenblick, sie wäre hier.«
    »Hätten Sie sich
gefreut?«
    »Nein.«
    Judith Bleuler
lehnte sich zurück und wartete.
    »Nein, das hätte ich
nicht«, sagte Kai Rokke mit Nachdruck. »Eher hätte ich mich gewundert.« Er
machte eine Pause. »Es ist schon lange her.«
    »Was ist da drin?«
Sie zeigte auf die in Alufolie eingewickelte Schale.
    »Ketchup.«
    »Darf ich?«
    Wortlos nahm er die
Schale und hielt sie ihr hin. Sie wickelte die Folie ab, goss sich die Hälfte
über ihre Nudeln und schob sie über den Tisch zu ihm. Kai Rokke zögerte. Dann
griff er zu und kippte den Inhalt über seinen Teller. Der erste Bissen klebte
ihm am Gaumen und verbreitete den ungewohnten Geschmack in seinem Mund. Er
hielt inne.
    »Alles in Ordnung?«
Judith schaute ihn über ihre beladene Gabel hinweg an.
    Er nickte, schluckte
mühevoll und rang nach Luft.
    »Sagen Sie mal, Herr
Hornbläser …«
    »Kai Rokke«, würgte
er hervor.
    Judith Bleuler
grinste und streckte ihm die Hand über den Tisch entgegen. »Judith.«
    Sie hatte einen
festen Händedruck.
    »Sag mal, Kai«,
begann sie von Neuem und unterschlug seinen zweiten Namen mit einer
Selbstverständlichkeit, die ihm das Gefühl gab, mit dem neuen Namen ein neuer
Mensch zu sein, »du weißt schon, dass es nicht die normale Vorgehensweise der
Polizei ist, mit einem Zeugen außerhalb der Dienstzeit zu sprechen?«
    »Ich hatte mir so
was gedacht.«
    »Das ›nicht nur‹ …«
Judith sah ihm in die Augen, und er hatte Mühe, ihrem Blick Stand zu halten.
Solche direkten Kontakte war er nicht mehr gewohnt. Aber es ging. Und je länger
sie ihn ansah, desto besser gefiel ihm das Ganze.
    »Ja?«
    Sie räusperte sich
und rieb einen Moment lang an ihrer Narbe herum. »Du hast gesagt, es hätte dir
nicht gefallen, wenn der Stein mich getroffen hätte.

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