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Luftkurmord

Luftkurmord

Titel: Luftkurmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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»Lydia«
behandelte. Aber es war vorbei. Schon lange. Trotzdem trieb es ihn immer
weiter. Kai Rokke begegnete seinem Blick im Rückspiegel. Dann nahm er die
nächste Ausfahrt und bog zweimal links ab.
    Einmal musste
Schluss sein mit der Flucht vor sich selbst, und jetzt war ein guter Zeitpunkt
dazu. Die Vorstellung, Judith könnte ihn für immer als den »Fehler ihres
Lebens« in Erinnerung behalten, verursachte ihm mehr Übelkeit als die Angst vor
ihrer Reaktion, wenn sie ihn wiedersehen würde.
    ***
    Hansen
verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich in seinem Stuhl nach
hinten. Er schaute aus dem Fenster und machte den Eindruck, mit seinen Gedanken
völlig woanders zu sein, aber ich kannte ihn mittlerweile besser.
    »Die Spurenlage
reicht nicht aus, um eine Mordermittlung auszulösen«, sagte er und schaute mich
endlich an. »Regina Brinke ist ins Wasser gegangen und hat laut Bluttest vorher
eine Menge Beruhigungsmittel geschluckt.« Er zeigte auf den Vorabbericht des
Rechtsmediziners, der als Mailausdruck auf seinem Schreibtisch lag. Hansen
beugte sich mit einem Ruck nach vorne und stand auf. Neben mir rutschte Judith
auf ihrem Stuhl hin und her und räusperte sich.
    »Ja?« Hansen wandte
sich ihr zu.
    »In ihrem
Abschiedsbrief hat sie nichts von dem Bauprojekt oder der Genehmigung erwähnt.«
    Hansen nickte
langsam. »Nicht explizit. Das stimmt.«
    »Und aus den
Schilderungen ihrer Freunde lässt sich schließen, dass sie eigentlich wieder
Mut gefasst hatte.«
    »Mit wem haben Sie
gesprochen, Frau Bleuler?«
    Judith sah mich an.
    »Das war die Aussage
von Frau Herbstmann, die sie während unseres Gesprächs nach der Demonstration
gemacht hat. Regina Brinke hat sich im Naturschutz engagiert, und allem
Anschein nach war sie verliebt.«
    »Sagt Frau
Herbstmann?«
    »Ja«, erwiderten
Judith und ich wie aus einem Mund.
    »Die Frau
Herbstmann, die Gott und die Welt gegen das Projekt aufwiegelt?«
    Ich sah, dass Judith
genau wie ich nickte.
    »Wieso sollten wir
ihr glauben?«
    Ich schluckte. Die
Katze musste aus dem Sack, auch wenn ich dafür Prügel einstecken würde.
    »Andrea Herbstmann
ist meine Freundin. Sie ist die Mutter meiner Patentochter, und ich kenne sie
seit Ewigkeiten.«
    Es zischte, als
Hansen die Luft durch seine Lippen zog.
    »Ina, du …« Ich sah
wie die Muskeln an seinem Kiefer mahlten. Mir war völlig klar, dass er nun
alles Recht auf seiner Seite hatte, mich von der Sache abzuziehen, die nie ein
richtiger Fall gewesen war und, wenn es nach Hansen ging, auch keiner werden
würde. Es konnte eigentlich nicht mehr schlimmer werden.
    »Die Akte
›Lorbachtal‹ ist aus dem Rathaus verschwunden und jemand hat sämtliche Dateien
gelöscht«, warf Judith sachlich ein, und bevor Hansen darauf reagieren konnte,
legte ich wie in einem Pokerspiel die nächste Karte auf den Tisch.
    »Andrea Herbstmanns
Schwager Frank Vorhaus ist der zuständige Leiter des Projekts ›Lorbachtal‹ bei
der Firma des Bauträgers.«
    Hansens Kopf ruckte
hoch wie der eines Raubvogels, der seine Beute entdeckt hatte und gleich
zustoßen würde.
    »Das weißt du
woher?«
    »Wir waren heute
Morgen in Aachen und haben der Firma einen Besuch abgestattet.«
    Hansen lachte in
einem hohen Ton. »Ja sicher. Ihr fahrt einfach nach Aachen und ermittelt da ein
bisschen. Schon klar. Macht ja auch nichts, wenn man mal eben die Vorschriften
so völlig außer Acht lässt und einen Scheiß drauf gibt, was das alles für
Konsequenzen haben kann.« Er war immer lauter geworden, und die letzten Worte
brüllte er in unsere Richtung. Ich sah, wie Judith neben mir blass wurde und
ein Stück in ihrem Stuhl runterrutschte. Ich stand auf.
    »Bernhard«, begann
ich, aber er ließ mich nicht zu Wort kommen.
    »Setz dich und sei
still, Ina. Du musst nicht meinen, dass wir hier für dich eine Extrawurst
braten. Ich hab es dir einmal im Guten gesagt. Jetzt bist du definitiv zu weit
gegangen.«
    »Ich bin davon
überzeugt, dass hinter dieser Sache noch mehr steckt. Aber dafür brauchen wir
Beweise.« Ich sah ihn an und hielt seinem wütenden Blick stand. »Was ist, wenn
es doch ein Mord ist? Willst du diese Möglichkeit einfach so abtun?«
    »Wir könnten uns
doch wenigstens einmal in Regina Brinkes Wohnung umschauen. Vielleicht finden
wir da etwas, was uns weiterhilft und die Sache klärt«, warf Judith leise ein.
»Auf die eine oder andere Weise.«
    Hansen kniff die
Augen zusammen und nickte. »Vielleicht.« Dann fuhr er mich an: »Und sie hast

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