Luftkurmord
du
auch mit da reingeritten.«
»Ich wollte …«,
setzte Judith an, aber ich unterbrach sie.
»Das stimmt. Das war
ein Fehler. Sie trägt keine Verantwortung für den Einsatz in Aachen. Sie hat
getan, was ich ihr gesagt habe.«
»Dein unmögliches
Verhalten färbt auf sie ab. Sie macht auch schon Alleingänge.« Er musterte
Judith und warf ihr böse Blicke zu, die ich nicht verstand. »Wenn ich von den
Kollegen aus Aachen eine offizielle Beschwerde bekomme, sieht es schlecht aus.
Dann bleibt mir keine andere Wahl.«
»Als was zu tun?«
Ich konzentrierte mich wieder auf Hansen.
»Dich von dem Fall
abzuziehen und stillzulegen.«
Ich kniff die Lippen
zusammen, weil ich wusste, was das bedeutete, und es gefiel mir nicht. Aber ich
wusste, es würde Hansen auch nicht gefallen.
»Andrea Herbstmann
ist übrigens verschwunden«, ließ ich die letzte der Bomben platzen. »Seit gestern
am späten Nachmittag. Ich mache mir Sorgen. Was ist, wenn ihr etwas zugestoßen
ist? Wenn Regina Brinkes Tod kein Selbstmord war und der Mörder weitermacht?«
Hansen ging zu
seinem Stuhl, ließ sich darauf fallen und faltete die Hände hinter seinem Kopf.
Er spitzte die Lippen, drehte sich in Richtung Fenster und schwieg eine Zeit
lang. Dabei verknoteten sich seine Finger immer wieder ineinander.
Ich wartete.
»Für eine
Vermisstenanzeige reicht es nicht. Es ist viel zu früh«, murmelte er. »Und wir
haben keine Meldungen zu Unfällen oder Ähnlichem.« Er räusperte sich. Ich
konnte förmlich spüren, wie er nachdachte und mit sich rang. »Morgen werdet ihr
Regina Brinkes Wohnung einen Besuch abstatten. Aber es ist keine offizielle
Untersuchung!«
»Wir könnten jetzt gleich
dorthin fahren. Ich habe noch genügend Zeit heute«, warf ich ein.
»Morgen. Ina. Ihr
werdet das morgen erledigen. Heute wartet dein Schreibtisch auf dich und der
Bericht, den du mir über die ganze Sache verfassen wirst. Und diesmal arbeitet
ihr gründlicher als bisher.« Er sprach immer noch zu dem Fenster. »Ich habe
vorhin einen Anruf von den Kollegen aus Euskirchen erhalten. Euer Zeuge, dieser
Kai Rokke Hornbläser, habt ihr den eigentlich überprüft?«
»Wir haben seine
Personalien aufgenommen.«
»Also nicht.« Er
wandte sich zu mir um.
Ich schüttelte den
Kopf.
»Dann interessiert
es euch sicher, dass der junge Mann ein ansehnliches Vorstrafenregister
aufzuweisen hat. Er hat früher mit Amphetaminen gehandelt und war dem Zeug auch
selbst nicht ganz abgeneigt.«
Judith holte
erschrocken Luft. Ich warf ihr einen Seitenblick zu.
»Leider hatte ich
keinen Grund, ihn noch einmal hierherzubeordern. Trotzdem möchte ich, dass ihr
ihn überprüft. Wenn ihr mit ihm fertig seid, und wirklich erst dann, werdet ihr
Frank Vorhaus besuchen.« Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Ebenfalls
ohne den Eindruck zu erwecken, dass es sich bei der ganzen Sache um eine
Ermittlung handelt, die es ja in der Tat auch nicht ist. Haben wir uns
verstanden? Ina?«
Ich nickte Judith zu
und bedeutete ihr, mitzukommen. An der Türschwelle blieb ich stehen und wandte
mich noch einmal zu Hansen um. »Bernhard?«
»Ja?«
»Danke«, murmelte
ich, zog leise die Tür hinter mir ins Schloss und folgte Judith in unser Büro.
»Kann ich für
heute Schluss machen?« Judith griff nach ihrem Rucksack. Während des Gesprächs
mit Hansen hatte sie einen sehr betroffenen Eindruck gemacht, wovon jetzt
allerdings nichts mehr zu spüren war. Jetzt schien sie es sehr eilig zu haben
wegzukommen.
»Du hast doch
gehört, was Hansen von uns erwartet. Wir sollen unsere Arbeit ordentlich
erledigen.« Ich zog meinen Stuhl heran und schaltete den Computer ein. »Wir
haben jetzt so etwas Ähnliches wie einen Auftrag. Das ist doch das, was wir
wollten.«
Judith blieb im
Türrahmen stehen und sah mich abwartend an.
Ich seufzte. Dann
lächelte ich und nickte. »Geh schon. Schließlich hab ich uns die Suppe
eingebrockt. Dann sollte ich sie auch auslöffeln.«
»Danke schön!«
»Ach, Judith?«
»Ja?«
»Nur eins noch: Was
meinte Hansen mit ›Sie macht auch schon Alleingänge‹?«
»Keine Ahnung.«
Judith winkte mir kurz zu und zog mit einem Ruck die Tür hinter sich in
Schloss.
***
Mit großen
Schritten kam sie auf ihn zu. »Du bist zurückgekommen.«
»Ja.« Er hatte
einige Meter von der Ausfahrt der Polizeiwache geparkt und auf sie gewartet,
ohne zu wissen, wann ihr Dienst zu Ende sein würde.
»Warum?«
»Weil ich nicht
wollte, dass du so über mich denkst.«
Judith nickte,
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