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Luftkurmord

Luftkurmord

Titel: Luftkurmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Pistor
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zivilen Ersatzklamotten vom Rücksitz, die ich
sonst in meinem Spind auf der Wache aufbewahrte und die ich kurz vor unserer
Abfahrt noch geschnappt hatte. Judith hatte darauf bestanden, nicht in unseren
Uniformen, sondern in normaler Kleidung bei der Firma aufzutauchen, und ich
musste ihr recht geben. Aachen war nicht unser Gebiet, und Hansen wusste nichts
von unserer Aktivität. Das allein versprach schon eine Menge Ärger. Da mussten
nicht noch solche Dinge wie Amtsmissbrauch dazukommen.
    Ich zog gerade
meinen dünnen Pulli über, als mich wieder eine Hitzewelle überrollte. Sie
breitete sich von einem Punkt hinter meiner Brust über den Hals bis in mein
Gesicht aus. Ich schwitzte wie nach einem Langstreckenlauf, und allem Anschein
nach hatte mein Herz den Eindruck, genau diese Leistung gerade vollbracht zu
haben. Es schlug wie verrückt. Ich ließ mich auf den Sitz fallen, öffnete die
Wagentür und schnappte nach Luft. Mein Gefühl, im Gesicht die Farbe einer
Tomate angenommen zu haben, bestätigte sich, als ich Judiths besorgten Blick
sah.
    »Alles in Ordnung
mit dir?«, fragte sie und runzelte die Stirn. Ich griff nach dem Stadtplan,
faltete ihn zusammen und fächelte mir Luft zu. Die Hitze ließ langsam nach,
aber immer noch spürte ich jeden einzelnen Herzschlag.
    »Ich muss mir einen
Virus eingefangen haben«, murmelte ich und genoss den kühlen Luftzug, der durch
den Wagen ging.
    »Ah.« Sie schoss mir
einen Seitenblick zu. »Ja dann.« Wieder eine Pause, bevor sie mit einer
Sachlichkeit, die jede böswillige Absicht von vorneherein ausschloss, sagte:
»Meine Mutter hatte immer so schreckliche Hitzewallungen, als sie in den
Wechseljahren war.«
    ***
    »Verdammt!« Kai
Rokke schlug auf sein Lenkrad und fädelte sich in den Kreisverkehr auf der
Kölner Straße ein. Sein Navigationsgerät hatte ihn zwar ohne Probleme von
Gemünd nach Euskirchen geführt, aber er hatte keine Hausnummer zu der Adresse
gehabt und das Schild erst gesehen, als es schon zu spät zum Abbiegen gewesen
war. Jetzt musste er zuerst die Ehrenrunde durch den Kreisel drehen und dann
ein ganzes Stück auf der Straße zurückfahren, bis ihm eine Lücke im Trennbeet
den U-Turn erlaubte. Seine Laune sank. Er wollte die »Lydia« wiederhaben, in
sein Wohnmobil steigen und aus der Eifel verschwinden. Egal wohin. Nur fort.
Sein Magen rumorte und schmerzte. Er kniff die Augen zusammen. Das mit dem
Hunger musste er sich wieder abgewöhnen. So wie er sich abgewöhnen musste, an
Judith zu denken. Wegen ihr war alles durcheinandergeraten. Er hasste es, wenn
Dinge durcheinandergerieten. Vor allem, wenn sie ihn und sein Leben betrafen.
Es war sein Leben. Seine Kontrolle. Das erneute laute Grollen aus der Mitte
seines Körpers kam ihm wie eine Antwort auf seine Gedanken vor. Widerworte. Er
lenkte das Wohnmobil auf den Parkplatz. Links und rechts standen Polizeiautos,
die wenigen Besucherplätze waren entweder besetzt oder zu eng. Vorsichtig fuhr
er den Wagen weiter auf das Gebäude zu, in der Hoffnung, hier einen Parkplatz
zu finden. Hinter einer breiten Scheibe trat ein uniformierter Polizist ans
Fenster, legte die Hand als Sichtschutz an die Stirn und schüttelte den Kopf.
Dann verschwand er für einige Sekunden, bevor er am Haupteingang erschien und
auf Kai Rokke zukam.
    »Wo wollen Sie denn
hin?« Der Polizist stellte sich dicht vor das geöffnete Fahrerfenster.
    »Ich muss hier etwas
abholen.«
    »Aha.«
    »Wo kann ich hier
parken?«
    »Also«, der Polizist
bog sich nach hinten und begutachtete das Wohnmobil, »hier werden Sie damit
kein Glück haben.« Er kratzte sich nachdenklich am Kinn. »Versuchen Sie es mal
hinter dem Gebäude. Da ist genug Platz.«
    »Danke. Wie komm ich
dahin?«
    »Oh, ganz einfach.«
Der Polizist lächelte erleichtert und zeigte mit der Hand nach links. »Sie
fahren einfach wieder vom Hof, einmal durch den Kreisel bis zum nächsten
Kreisel, da schräg links Richtung Bahnhof, am Bahnhof vorbei bis zum nächsten …«
    »Kreisel«, ergänzte
Kai Rokke.
    »Ach, Sie kennen
sich hier aus?«
    Er schüttelte den
Kopf, und der Polizist beendete mit einem strengen Blick und einem »Dann direkt
die nächste Ausfahrt. Das geht ganz schnell. In fünf Minuten komme ich Sie dann
am Hintereingang holen« seine Erklärung.
    Kai Rokke hatte
die Hinweise zum Einbruchschutz und die Fahndungsplakate an den Wänden ebenso
wie die Drogenpräventionshefte und Verkehrssicherheitsflyer auf dem
Prospektständer bereits zum vierten Mal gelesen und

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