Luftschlösser
mir anhören durfte, dass du aus gesundheitlichen Gründen nicht anwesend sein könntest. Danach habe ich deinen Vater so lange bearbeitet, bis er mir die Adresse eures Bekannten in Crieff verraten hat. Ich habe mir den nächsten Flug nach Edinburgh gebucht, bin mit einem Leihwagen losgezogen und aus allen Wolken gefallen, als du dort nicht anzutreffen warst. Ich bin so froh, dich hier gefunden zu haben, weil ich dir sagen wollte, dass ich nicht der bin, für den du mich zu halten scheinst.”
Persephone hielt in ihrer Massage inne. „Und wer denke ich, dass du bist?”
Charles schloss kurz die Augen. „Du denkst, dass ich immer noch der Idiot bin, der sich über dich lustig macht, dich an den Haaren zieht und dich schlecht behandelt. Seit damals sind fünfzehn Jahre vergangen und ich bin erwachsen geworden. Ich habe mir oft genug Körbe geholt und miserable Beziehungen gehabt, um zu wissen, dass ich nicht der unwiderstehliche Supertyp bin, für den ich mich damals gehalten habe. Als ich dich wieder gesehen habe, hat es mich sofort erwischt. Seitdem habe ich versucht, den Schaden, den ich bei meinem Abschied angerichtet habe, wieder auszubügeln. Ich wollte, dass du mich so gern hast wie früher. Oder noch ein wenig mehr.”
„Dir ist aber bekannt, dass ich kein liebenswerter Mensch bin, oder?” Persephone gab ihren Platz hinter Charles’ Rücken auf und stellte sich vor ihm hin.
Er lächelte leicht. „Das sagen einige Leute, ich weiß. Auf dieses Geschwätz gebe ich aber nichts. Ich kenne dich, Sephi, und weiß, dass du ein ganz wunderbarer Mensch bist. Hör’ zu, es tut mir unglaublich leid, dass ich dir damals so weh getan habe, aber ich bitte um eine zweite Chance. Gib’ mir die Möglichkeit, dich wieder kennen zu lernen. Und gib’ dir selbst die Möglichkeit, mich neu kennen zu lernen.” Nach einem erwartungsvollen Blick in ihre Augen lachte er auf. „Hat dir meine pathetische Rede jetzt die Sprache verschlagen?”
Persephone ließ sich mit ihrer Antwort Zeit. „Nein, das nicht. Du überraschst mich nur. Seit unserem Wiedersehen überraschst du mich andauernd .” Sie griff nach einem weiteren Handtuch, das sie auf dem Bett abgelegt hatte, und hängte es Charles über den Kopf. Während sie weiterredete, massierte sie seinen Schädel und trocknete dabei sein Haar. „Zuerst hielt ich das für eine schmierige Masche, dann begann ich zu zweifeln, weil du nicht aufgehört hast, so nett zu sein. Obendrein, und das gebe ich äußerst ungern zu, hast du mich permanent an unsere gemeinsamen Jahre erinnert. Dem Arzt im Krankenhaus ist ein Stein vom Herzen gefallen, als ich ihm von meinem emotionalen Dilemma berichtet und ihm damit die Grundlage für eine Diagnose geliefert habe. Der Ärmste dachte, er hätte den falschen Beruf gelernt, weil ich körperlich völlig gesund schien und dennoch Schmerzen hatte. ‘Herzschmerz’ hat er das etwas flapsig genannt. Tatsache ist, dass ich nie aufgehört habe, dich zu vermissen.” Sie sagte diesen Satz ohne Vorwurf, ohne Anklage.
„Echt?” Charles spähte unter dem Handtuch hervor, unfähig, die Freude und Erleichterung aus seiner Stimme zu halten. „Soll das heißen, dass ich auf dein Wohlwollen hoffen darf, Miss Persephone deWinter?”
„Das solltest du. Außerdem solltest du dich mit aller Gewalt bei mir einschmeicheln und auf meine Gnade hoffen, denn es gibt hier kein anderes Gästezimmer. Du wirst hier bei mir übernachten müssen, wenn du nicht in deinem Leihwagen schlafen möchtest.” Ein Schmunzeln spielte um ihre Lippen.
Das brachte Charles in die Zwickmühle. Wenn er sich so einschmeichelte, wie es ihm vorschwebte, würde er sie umarmen müssen. Beim letzten Mal ging dieser Versuch gründlich daneben. Ein neuerlicher Anlauf konnte eine Nacht auf einem ungemütlichen Autositz bedeuten. Aber egal. Er erhob sich.
„Pass’ mal auf, meine kleine Sephi. Wenn ich mich jetzt mit aller Gewalt bei dir einschleime, solltest du es ruhig und gefasst über dich ergehen lassen. Ich möchte dir damit nicht auf den Schlips treten, finde aber, es ist an der Zeit dafür.” Er warf einen kurzen Blick in ihr aufmerksames Gesicht, dann legte er seine Arme um sie und zog sie dicht an sich. Diesmal kein Kuss, keine Fummelei, lediglich eine liebevolle Umarmung. Die allerdings wurde nicht abgewiesen. Mit einer Mischung aus Genugtuung und Freude fühlte er Persephones Arme, die sich um seinen Körper schlangen und die Geste mit sanftem Druck erwiderten.
„Hast du
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