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Luftschlösser

Luftschlösser

Titel: Luftschlösser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Nitzsche
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rechts.
    „Ich danke Ihnen.” Charles wandte sich zur Seite, suchte die Umgebung nach einer Spaziergängerin ab und bekam gerade noch mit, wie sich die Haustür wieder schloss. Man erwartete offensichtlich, dass er sich jetzt sofort auf die Suche begab.
     
    Seit Charles’ Ankunft in Schottland war das Wetter nicht gerade angenehm gewesen. Es war windig, kühl und neblig. An diesem Morgen hatte sich der Himmel noch weiter eingetrübt. Mittlerweile trieb der Wind einen feinen Regen über die Insel, der ihn im Handumdrehen bis auf die Haut durchnässte. Er hatte seine Jacke im Auto vergessen, eine Dummheit, die sich nun rächte. Außerdem war Sephi nirgendwo zu sehen. Seit gefühlten zwei Stunden (seine Uhr bestand darauf, dass es gerade einmal zwanzig Minuten waren) hastete und stolperte Charles durch das unebene Gelände, blind für die Reize der Landschaft. Da war niemand, weder Mensch noch Tier! Nicht einmal Schafe ließen sich blicken. Wahrscheinlich hatte dieser MacDonald ihn verladen. Er blieb stehen, um sich umzuschauen und wieder zu Atem zu kommen. Eine plötzliche Bewegung ein paar hundert Meter entfernt ließ Charles stocken, schnürte ihm unvermittelt die Kehle zu und ließ seine Knie weich werden. Er rannte weiter, ohne auf den Boden zu achten. Nur weiter, immer der Bewegung hinterher.
     
    „Persephone! Bleib’ stehen! Persephone!”
    Sie hörte, dass jemand ihren Namen rief, blieb aber nicht stehen. Es konnte ja nicht sein. Sie musste sich die Stimme einbilden. Seine Stimme. Er war in New York, verhalf fehlgeleiteten Promis und Halbpromis zu einem besseren Image. Da war sie wieder, diese tiefe Stimme, die sogar den Regen und den Nebel mühelos durchschnitt. Persephone gab dem unterdrückten Impuls, sich danach umzudrehen, nach. Was sie sah, ließ sie an ihrer geistigen Gesundheit zweifeln. Schon wieder. Da stand ein tropfnasser Mann mitten im Gelände und rief nach ihr. Mit Charlys Stimme. Unmöglich! Sie drehte sich wieder um und lief eilig weiter. Die Stimme kam näher.
     
    Das konnte doch nicht wahr sein! Wo, zum Henker, wollte sie denn noch hin?
    „Persephone, bleib’ stehen, verflixt noch mal!” Charles schrie nach Leibeskräften, um den Wind zu übertönen.
    Die Gestalt hielt an und wandte sich ihm langsam zu.
     
    Da stand er, vornüber gebeugt, die Hände auf den Oberschenkeln abgestützt, nass bis auf die Knochen und vollkommen atemlos. Charles. Ihr Charly.
    „Renn’ nicht wieder weg, Sephi! Wenn du noch weiter wegläufst, muss ich dir hinterher schwimmen und dazu fühle ich mich ganz ehrlich nicht mehr in der Lage. Ich bin dir um den halben Erdball nachgereist, um mit dir zu reden. An Hochleistungssport hatte ich dabei nicht gedacht.” Die letzten beiden Sätze sagte er mehr zu sich selbst. Persephone kam dennoch näher.
    Sie konnte es nicht fassen. Charles stand da, leibhaftig. Sein Haar hing ihm vom Regen schwer und dunkel in die Stirn, sein Brustkorb hob und senkte sich schnell und unregelmäßig.
    „Wie kommst du hierher?” Etwas Intelligenteres als diese verblüffte Frage fiel ihr nicht ein.
    „Hauptsächlich mit Flug- und Fahrzeugen.” Ein mattes Lächeln zeigte sich auf seinen nassgeregneten Zügen.
    Von diesem Gesicht, diesen Lippen, diesen Händen hatte sie wochenlang geträumt und sich gefragt, ob ihre Flucht nicht doch kindisch und überstürzt gewesen war. Nach ihrem erzwungenen Krankenhausaufenthalt hatte sie sich mit Charles und ihren widersprüchlichen Gefühlen für ihn nicht beschäftigen wollen. Sie hatte sich mit gar nichts beschäftigen wollen, wenn sie ehrlich war. Eine ausgedehnte Reise schien dazu das das geeignete Mittel zu sein.
    „Nur meinetwegen?” Diese Frage musste sich unfassbar dämlich anhören.
    „Nur deinetwegen”, bestätigte Charles ernst. Persephones Anblick war ein gänzlich anderer als in New York. Die feine Kleidung war groben Stiefeln, derben Hosen und einer gewachsten Baumwolljacke gewichen. Auf dem Kopf trug sie eine dunkle Mütze. Doch so nett dieser Anblick auch sein mochte - er musste dringend raus aus diesem Regen.
    „Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir irgendwo hingingen, wo es weniger nass ist?”
    Persephone biss sich auf die Unterlippe, um sich ein Grinsen zu verkneifen. „Selbstverständlich. Einfach geradeaus. Keine Sorge, wir sind in fünf Minuten wieder am Haus.”
    Sie liefen schweigend nebeneinander her. Beide hingen ihren eigenen Gedanken nach. Charles beschäftigte hauptsächlich die Frage, ob er die Kälte

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