Lukianenko Sergej
waschen, etwas essen und zur Hand
sein, aber noch nicht in den Saal gebracht werden!«
Die Alchimisten warfen einen letzten entsetzten Blick
auf Trix und Tiana, bevor sie aus dem Saal getrieben
wurden. Sie ließen ihre Gefäße und Böller fallen und die
Filzpantoffeln rutschten ihnen von den Füßen. Die Höflinge, die den Ernst der Lage sofort begriffen hatten,
brauchte man dagegen nicht lange zu bitten; sie zogen
sich sofort im Rückwärtsgang und in gebeugter Haltung
zurück.
»Ihr könnt diese blöden Pantoffeln ausziehen«, gestattete Marcel ihnen, als ihm der Pokal mit Saft gebracht
wurde.
»Als Aristokraten habt Ihr das Recht, das Parkett zu
zerkratzen.«
»Eure Majestät«, mischte sich da der Majordomus ein,
»noch ist doch gar nicht bewiesen, dass sie diejenigen
sind, für die sie sich ausgeben.«
»Ja und?« Der König zuckte die Achseln. »Wenn sie
mich getäuscht haben, haben wir nur einen Grund mehr,
sie zu köpfen.«
»Eure Majestät, erlaubt mir, Euch alles zu erzählen!«,
bat Trix. Im Saal waren nur noch er, Tiana, der König,
der Majordomus und der Herold. Und natürlich die Gardisten. Ihre Zahl hatte sogar zugenommen, es waren jetzt
mindestens zwanzig Mann, darunter auch einige Zauberer, die ihre Bücher mit Zaubersprüchen im Anschlag
hielten.
»Warte!«, verlangte der König. »Es ist unschön, jemanden in Abwesenheit des Verrats zu beschuldigen.
Gris ist gleich da, dann kannst du alles erzählen.« Dann
wandte er sich wieder Tiana zu. »Und was hast du mir zu
sagen, Fürstin Tiana? Ich hatte doch befohlen, dass du in
einer wichtigen diplomatischen Mission zu den Kristallenen Inseln aufbrichst. Was also hast du hier verloren?«
»In einer wichtigen diplomatischen Mission?«, fragte
Tiana zurück. »Versteht Ihr darunter etwa die Ehe mit
dem Vitamanten Evykait?«
Im Gesicht des Königs zuckte nicht ein Muskel. »Ja,
mein Kind. Offen gesagt genau das. Dem Königreich
drohen zahlreiche Gefahren und in dieser Situation brauchen wir einen sicheren Frieden mit den Kristallenen Inseln. Die Vitamanten haben verlangt, den Friedensvertrag
durch eine Ehe zu besiegeln, wie es seit Anbeginn der
Zeiten üblich ist. Du bist das einzige Mädchen, das ausreichend hochwohlgeboren ist, um Evykaits Eitelkeit zu
genügen. Außerdem bist du aus dem Kindesalter heraus
und noch nicht durch eine Ehe gebunden.«
»Und obendrein eine Waise, die niemand beschützt,
Sire«, sagte Tiana verwegen.
»Ja, mein Kind«, erwiderte Marcel gelassen. »Auch
damit hast du recht. Ich habe einige Stunden über einer
Liste mit den Namen hochwohlgeborener Mädchen gebrütet und keine Alternative gefunden. Es gab Mädchen,
die mit Freude einer Ehe mit dem Oberhaupt der Vitamanten zugestimmt hätten, aber sie waren von zu niedrigem Stand. Es gab ein paar junge Frauen, bei denen ich
mir den Zorn der Eltern zugezogen hätte, wenn ich sie zu
Evykait geschickt hätte. Du warst die beste Wahl. Und
ich war überzeugt, dass die Fürstin von Dillon mich verstehen wird. Also, warum bist du hier und nicht auf den
Kristallenen Inseln?«
»Dieser edle Jüngling hat mich gerettet!«, sagte Tiana
und zeigte auf Trix.
»Allein?«, wollte Marcel wissen.
»Völlig allein, Sire!«, sagte Trix kühn.
»Bemerkenswert.« Marcel schüttelte den Kopf. »Wozu
habe ich eigentlich eine Armee, wenn ein einzelner Junge
imstande ist, ein ganzes Schiff voller Vitamanten und mit
Gavar an Bord zu entern? Übrigens, wo ist Gavar?«
»Ich nehme an, er läuft über den Meeresboden zu den
Kristallenen Inseln«, sagte Trix. »Falls er nicht inzwischen von einem Hai gefressen wurde.«
In den Augen des Königs spiegelten sich Zweifel und
Respekt zugleich wider. »Ein Hai? Den wird er eher
selbst gefressen haben! Gut, lassen wir das. Warum hast
du dich gegen mich aufgelehnt und Tiana nicht fahren
lassen?«
»Wenn ich darauf antworte, verstoße ich gegen Euren Befehl, Sire«, sagte Trix. »Dass ich einen Adligen
nicht in Abwesenheit des Verrats beschuldigen soll,
Sire.«
»Ich habe ja nicht damit gerechnet, dass wir so lange
auf den verehrten Gris warten müssen!«
Die nächsten Minuten schwiegen sie. Marcel trank in
kleinen Schlucken seinen Saft und sah immer wieder
Trix und Tiana an. Die Gardisten, der Majordomus und
der Herold warteten einfach. Plötzlich hörte Trix hinter
sich das Scharren von Füßen und das Rascheln von Stoff,
traute sich jedoch nicht, sich umzudrehen. Irgendwann
rempelte ihn dann jemand recht unfeierlich an und
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