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Lukianenko Sergej

Lukianenko Sergej

Titel: Lukianenko Sergej Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Trix Solier 3445BAB7
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Wettrennens geben. Dem Minotaurus würde genug Zeit bleiben,
um die Filetstückchen aus Trix herauszubeißen und sie
zu vertilgen. Vielleicht würde er es sogar schaffen, sie
vorher über einem Feuer zu grillen.
So wie der Minotaurus aussah, dürfte er allerdings
auch nichts dagegen haben, den Jungen roh zu fressen.
Der erste Gedanke, der Trix in den Sinn kam, war
recht vernünftig. Minotauren können ja wohl nicht auf
Bäume klettern, oder?
Doch ein rascher Blick auf die Bäume ließ Trix verzweifeln: Der höchste war gerade doppelt mannshoch.
Mit seiner Hellebarde würde der Minotaurus ihn, Trix,
aus der Krone fischen, ohne sich auch nur auf die Zehenspitzen stellen zu müssen.
Der zweite Gedanke war, wie oft in kritischen Lagen,
dumm. Ein Minotaurus ist ja halb Mensch, halb Tier.
Und wie jedes Monster fürchtet er loderndes Feuer, fließendes Wasser und den festen Blick eines Menschen.
Hätte Trix etwas weniger Angst gehabt, wäre ihm vielleicht aufgefallen, dass der Minotaurus über einen qualmenden Trichter hinwegsprang, den einer der magischen
Blitze in die Erde getrieben hatte, ohne auch nur die geringste Furcht zu zeigen, dass er mit nackten Füßen über
das brennende Gras lief und leichtfüßig einen rauschenden Bach durchquerte.
In seiner Panik nahm Trix jedoch nichts außer den
blutunterlaufenen Augen, den spitzen Hörnern, den gefletschten Fängen und dem zottigen roten Fell wahr.
Deshalb richtete er sich auf und versuchte, eine stolze
Haltung einzunehmen (wäre er etwas größer gewesen,
wäre ihm das auch gelungen), bohrte seinen Blick in die
Augen des Minotaurus und schrie mit aller Kraft (wobei
sich seine Stimme überschlug): »Bleib ja stehen! Du hast
einen Menschen vor dir!«
Das klang stolz, aber der Minotaurus blieb natürlich
nicht stehen. Im Gegenteil, dass da vor ihm ein kleiner
Junge stand und ihm in die Augen sah, schien ihn noch
anzuspornen. Er warf den Kopf in den Nacken, stieß ein
lautes Brüllen aus und hämmerte sich im Laufen mit der
linken Hand gegen die Brust, was dem Eisenpanzer tiefe
Dellen eintrug. In der rechten Hand hielt der Minotaurus
nach wie vor die Hellebarde.
Aber all das kriegte Trix gar nicht richtig mit. Es war
zu spät, um wegzulaufen, auf einen Baum zu klettern
wäre dumm und sich in den Kampf zu stürzen geradezu
lächerlich. So ließ er sich einfach von seiner Idee mitreißen: »Auf die Knie!«, schrie er. »Dein Zorn zerschellt an
meiner Kühnheit! Noch einen Schritt – und du gehst unter
höllischen Qualen zugrunde! Dein Herz bleibt stehen, die
Luft bleibt dir weg!«
Der Minotaurus machte halt und starrte Trix verblüfft
an. Den Jungen und das Biest trennten noch höchstens
zehn Schritt voneinander. Trix meinte, schon den stinkenden Atem des Monsters zu riechen. Das Untier suchte
mit seinen bösen Augen den Boden ab, als erwarte es,
eine Falle zu entdecken.
»Noch ein Schritt, und du stirbst wie ein hirnloser
Stier auf der Schlachtbank!«, drohte Trix. »Fleh um
Gnade, du widerliche Kreatur! Du Ausgeburt des Dunkels und des Chaos!«
Es lässt sich nicht sagen, was genau das Monster nun
so aufbrachte: der Vergleich mit dem Stier oder die Formulierung mit dem Dunkel und dem Chaos, aus dem er
ja tatsächlich kam. Jedenfalls fletschte der Minotaurus
erneut die Zähne und machte einen entschlossenen
Schritt auf Trix zu.
Worauf er sofort erstarrte.
In die Fratze des Monsters malte sich nach und nach
ein verwunderter Ausdruck. Er ließ die Hellebarde fallen
und zerrte mit beiden Händen am Harnisch. Die robusten
Lederriemen, mit denen die Brust- und Rückenpanzer
verbunden waren, hielten nicht und rissen, die Platten
landeten vor den Füßen des Minotaurus. Das Monster
kratzte sich erst die Brust und schlug dann mehrmals mit
der Faust aufs Herz, worauf es laut und erleichtert seufzte.
Es trat einen Schritt zurück und sah Trix angstvoll an.
Trix schaute noch angstvoller zurück.
Der Minotaurus drehte sich zum Elfenbeinturm und zu
dem Gesicht des Magiers um, das in der Luft schwebte
und offenbar in ihre Richtung blickte.
»Wag es ja nicht!«, drohte Trix. Sein Blick fiel auf einen Stein am Boden, einen glatten, von Wasser und
Wind abgeschliffenen faustgroßen Kiesel. »Hast du je
vom großen Ritter Margon Grünzahn gehört, der einen
Zyklopen mit einem gut gezielten Steinwurf zur Strecke
gebracht hat?«
Trix zog flink den Gürtel aus seinen Hosen, bückte
sich, hob den Kiesel auf und legte ihn in den Riemen.
Eine anständige

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