Lukianenko Sergej
herumfuhrwerkte, »daran erinnere ich mich
nicht mehr genau. Aber was spielt das schon für eine
Rolle?«
»Vielleicht habt Ihr ja beide recht«, antwortete Trix, von
Beredsamkeit geküsst. »Herr Sauerampfer konnte Euch
nicht besiegen, also habt Ihr recht! Und Ihr konntet Herrn
Sauerampfer nicht besiegen, also hat er recht! Ihr wart
doch Freunde! Warum solltet Ihr da Todfeinde werden?«
Der Ritter sah den Magier nachdenklich an.
Der Magier grinste breit.
»Du bist ein Schuft, denn du hast sechzehn meiner
Knappen getötet!«, polterte Paclus. »Wie könnte ich
mich mit dir aussöhnen?«
»Wer sagt dir, dass sie tot sind?«, entgegnete Sauerampfer. »Wenigstens du solltest wissen, dass ich stets für
Humanität in der Kampfmagie eintrete!«
Paclus grunzte. Er schielte zu den Monstern hinüber, die
noch immer gesund und munter waren, sich in sicherer Entfernung hielten und aus lauter Langeweile anfingen, sich
gegenseitig zu vermöbeln. Er schob sein Schwert in die
Scheide. »Wenn du mir beweist, dass sie noch leben …«,
sagte er finster, »dann … dann … Aber du bleibst ein verachtenswerter Lump!«
»Sei mir willkommen, mein Kampfgefährte!«, sagte
Sauerampfer leise.
»Sei mir willkommen, Radion!« Tränen traten Paclus
in die Augen. »Sei mir willkommen, Zauberer!«
Die alten Freunde umarmten sich unter lauten Freudenbekundungen. Der Magier musste sich ebenfalls die
Augen mit dem breiten Ärmel des Umhangs abwischen.
»Danke, dass du deinen Minotaurus geköpft hast«,
sagte Paclus. »Das ist Trix, mein neuer Knappe. Ein tapferer Junge. Er hat es nicht verdient, durch die Klauen
eines solchen Monsters zu sterben.«
» Ich habe den Minotaurus nicht getötet«, erwiderte
Sauerampfer grinsend. »Das war er selbst.«
»Er?«, fragte Paclus fassungslos. »Er hat sich selbst
den Kopf abgerissen?«
»Nein. Dein Knappe hat den Minotaurus selbst getötet.
Mit einem Stein aus der Schleuder.«
Sir Paclus trat einen Schritt von Sauerampfer weg,
blickte erst auf den Minotaurus, dann auf Trix und auf
den Gürtel in seiner Hand. »Was?«, fragte er lachend.
»Mit einem Stein? Und einer Schleuder?«
»Der große Margon Grünzahn hat den Zyklopen auch
mit einem Stein erledigt!«, erklärte Trix, der erst jetzt
richtig begriff, was er da vollbracht hatte.
»Ich weiß«, sagte Sauerampfer lächelnd. »Da bin ich
nämlich dabei gewesen. Mit einem einzigen Stein! Völlig
richtig! Und einem Katapult! Und er hat ihn genau ins
Auge getroffen!«
»Man kann einen Minotaurus nicht mit einer Schleuder töten!«, behauptete Paclus steif und fest. »Wunder
gibt es nicht!«
»Warum nicht?« Radion Sauerampfer schüttelte den
Kopf. »Da wird dir jeder Magier widersprechen! Und
dein Knappe ist ein Magier!« Er trat an Trix heran und
klopfte ihm auf die Schulter. »Und ich muss sagen, für
einen Anfänger war das kein schlechter Zauber!«
Trix hockte in dem kleinen Garten, der auf dem Dach des
magischen Turms angelegt war. Hier konnten tatsächlich
Drachen landen, da hatte er sich nicht geirrt, denn zwischen zwei kleinen Türmen ragte eine gewaltige Hühnerstange aus dicken Eisenholzbalken auf. Dieses Holz wurde
von Drachenzüchtern wegen seiner Feuerfestigkeit sehr
geschätzt. Die Stange ließ jedoch noch genug Platz für
den kleinen Garten. In ihm wuchsen hauptsächlich Blumen – Vergissmeinnicht, Glockenblumen, Kamillen –, es
gab aber auch Gurken, Tomaten und allerlei Kräuter. Ein
großes und besonders schönes Stück war wie ein Frühbeet mit Glas überdeckt. Unter dem Glas floss ein kleiner
Bach in einem fröhlichen Kreis – was garantiert auf Magie beruhte. Am Ufer stand ein hübsches, kleines Häuschen und darum herum wuselten winzige, höchstens
daumengroße Menschlein. Einige sammelten Pilze und
Nüsse, andere badeten im Bach, die meisten machten
jedoch allerlei Unfug. Sie genossen ihr Leben und bemerkten den Beobachter gar nicht.
»Ich wusste nicht, was ich mit ihnen machen sollte«,
erzählte Radion Sauerampfer. Der Magier und der Ritter,
nun ausgesöhnt, standen mit Bechern voll Wein an der
Drachenstange. »Freilassen? Dann wärest du mir vielleicht böse gewesen und hättest behauptet, ich würde unser Duell nicht ernst nehmen. Sie ausbilden? Aber sie
haben nicht die geringste magische Veranlagung! Töten?
Das wäre unschön, so ohne jeden Grund. Sie in Gefangenschaft nehmen? Damit sie mir die ganzen Kräuter
zertreten und die magischen Bücher mit Zeichnungen
vollschmieren? Und das hätten
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