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Lukkas Erbe

Lukkas Erbe

Titel: Lukkas Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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diesem Platz kein Licht angezündet. Und seine Mutter hatte immer wieder gesagt, er dürfe Tanja vielleicht bald einmal sehen. Hatte seine Mutter nicht gewusst, wie lange es dauerte? Es waren viele Fragen, die ihn beschäftigten, als das Grüppchen sich auflöste.
    Kaffee und Kuchen gab es nach der Beisetzung nicht. Anita Schlösser folgte ihrer Schwester und ihrem Schwager Uwe von Burg.
    Bärbel weinte ein paar Tränen und regte sich auf, weil die jüngste Schwester nicht erschienen war. «Das wäre das Mindeste gewesen. Man darf doch nicht völlig vergessen, wem man das Leben verdankt.» Seit Bärbel selbst Mutter war, sah sie einiges in einem anderen Licht.
    Für Bens Vater war das Maß des Erträglichen überschritten. Die Schuld des vergangenen Sommers. Trudes schwerer Infarkt, Wochen voller Angst, sie könne sterben. Hoffnung, als sie sich langsam erholte. Erneute Angst, sie könne sich übernehmen, als sie Ben unbedingt wieder bei sich haben wollte. Oder sie könne eingesperrt werden für die Beweisvernichtung. Und gerade als Jakob dachte, das Allerschlimmste sei nun überstanden, kam das Ende.
    Er war vom offenen Grab weggegangen, ohne sich noch einmal umzudrehen. Während seine beiden ältesten Töchter Kaffee tranken, verkroch er sich vor dem Maria-Hilf-Altar in der Kirche, zündete eine Kerze an, faltete die Hände und wusste nicht, wann er zuletzt gebetet hatte.«Herr, gib ihr die ewige Ruhe», sagte er nur und bemerkte nicht einmal, dass er vor der falschen Figur kniete.

27.   August 1997
    Die Erinnerung an seine Mutter hatte der blonden Frau vorübergehend die Bedeutung genommen. Der Mann besann sich erst wieder auf Vanessa Greven, als sie ihn leise ansprach: «Was willst du?»
    Neben dem Weinregal lag ein Stapel grauer Decken, mit denen Leonard Darscheids Kunstwerke beim Transport geschützt wurden. Er bedeutete ihr, die Decken vor dem Weinregal auszubreiten, sich auszuziehen und hinzulegen. Minutenlang stand er hoch aufgerichtet neben ihr und schaute sie an. Das Licht im Keller war schlecht und machte ihren Körper weicher.
    Er legte sich neben sie, hielt das Messer mit einer Hand an ihrer Kehle, führte mit der anderen ihre Hand über seine Wange, die Brust und weiter hinunter, zeigte ihr, was sie tun sollte.
    Vanessa Greven gab sich große Mühe, am Leben zu bleiben, heuchelte Zärtlichkeit und Leidenschaft, schmeichelte ihm, er sei ein schöner, starker Mann, genau das, wonach sie sich sehne. Sie erzählte ihm von dem alten Mann, mit dem sie sonst schlief. Log ihm vor, dass es sie oft ekle vor dem schlaffen, faltigen Körper. Dass sie glücklich wäre, wenn er am nächsten Abend wieder zu ihr käme, der alte Mann sei noch über eine Woche weg.
    Was sie sagte, kümmerte ihn nicht. Ihm klang noch Rita Meiers Drohung im Ohr. Und Vanessa Greven hatteihn bei Licht gesehen. Als er ging, war sie tot. Und vorerst vermisste sie niemand.
    Leonard Darscheid rief zweimal aus Paris an und sprach eine kurze Nachricht auf den Anrufbeantworter, bat um Rückruf. Als Vanessa sich nicht bei ihm meldete, dachte er sich nichts dabei. Sie hatte vor seiner Abreise angekündigt, dass sie für einige Tage eine Freundin besuchen wolle, wenn sie mit den Schleifarbeiten an den Holzplastiken fertig sei.
    Der Mann, der nun ein Mörder war, kam noch zweimal. Beim ersten Mal hatte er Hoffnung, Vanessa Greven sei nur bewusstlos gewesen, als er sie verließ – wie Svenja Krahl vor zwei Jahren. Dass sie sich tatsächlich freue, ihn wiederzusehen, vielleicht nicht sofort. Aber wenn er ihr bewies, dass er diesmal wirklich nur kam, um ihre Zärtlichkeit zu genießen und zärtlich zu sein   …
    Das Atelier lag im Dunkeln, als er sich auf dem Feldweg näherte, das erstaunte ihn nicht. Es war Nacht, das ganze Dorf schlief. Er schloss sorgfältig die Ateliertüren hinter sich und verriegelte sie, damit sie ungestört blieben. Dann überquerte er rasch den Innenhof, betrat das Wohnhaus, verharrte einen Moment unschlüssig, ob er sofort in den oberen Räumen nach ihr suchen oder zuerst im Keller nachschauen sollte. Er stieg hinunter, und da lag sie so, wie er sie verlassen hatte.
    Eine Weile saß er vor dem Weinregal neben der von Fliegen umschwärmten Leiche und bedauerte aufrichtig, sie in diesen Zustand versetzt zu haben.
    Sie war nachgiebig gewesen, weich, bereitwillig, sehr zärtlich und sehr geschickt. Vielleicht könnte er sie noch ein paar Tage so liegen lassen. Im Keller war es kühl, aber die Fliegen waren ihm lästig. In

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