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Lukkas Erbe

Lukkas Erbe

Titel: Lukkas Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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war Patrizia die gesamte Verantwortung für Ben übergestreift worden. Und seit ihr Mann im Juli von der Versammlung der Schützenbrüder heimgekommen war und erzählt hatte, im Bendchen treibe sich ein schwarzer Mann mit einer Lederjacke herum, hatte Patrizia ein bisschen Angst.
    So wie Trude Schlösser im Sommer 95 zuerst nur ein bisschen Angst gehabt hatte, als Ben an einem Julimorgen die Handtasche von Svenja Krahl nach Hause brachte und blutige Kratzer an den Händen hatte. Kratzer von Dornen und Stacheldraht, da war Trude völlig sicher gewesen. Patrizia war ebenso sicher, dass Ben sich nicht im Wald herumtrieb und Liebespaare belästigte.
    Natürlich trug er ständig diese schwarze Lederjacke, Bruno hatte ihm so oft gesagt, darin sähe er chic aus. Und es gefiel ihm, wenn man ihm ein Kompliment machte, da bemühte er sich, es öfter zu hören. Und andere trugen auch Lederjacken, Achim Lässler, Uwe von Burg, Walter Hambloch, Bruno, ihr eigener Mann. Nur wusste Patrizia, wie das im Dorf war. Irgendwo sah jemand einen Schatten, alle schielten sofort auf Ben. Und sie hatte ihm den Schlüssel für die Haustür gegeben.
    Das hatte sie sofort am Tag nach ihrer Hochzeit getan, als sie das Kommando auf dem Hof ihres Schwiegervaters übernahm, damit Ben kommen und gehen konnte, wann er wollte. Und seitdem war er unterwegs, Nacht für Nacht.
    Tagsüber wich er ihr nicht von der Seite, hing an ihrer Latzhose wie früher am Rockzipfel seiner Mutter. Sein Handy trug er stets mit einem Clip am Gürtel der Jeans befestigt. Und Patrizia musste nur eine Hand in den Rücken stemmen, der mit fortschreitender Schwangerschaft doch schon häufig schmerzte, dann hatte er das Telefon am Ohr und teilte Bruno mit: «Fein weh.»
    Abends kam Dieter und genoss das Vorrecht des Ehemannes. Da trat Ben zurück, lebte sein eigenes Leben, suchte Stille nach all den Stunden, in denen Patrizia ihm wieder einmal den Großen Brockhaus vorwärts und rückwärts erzählt hatte.
    Zuerst besuchte er das Grab seiner Mutter, das sah jeder, der sich am Abend noch auf dem Friedhof aufhielt. Immer brachte er Trude etwas mit. Eine Geranienblüte aus den Blumenkästen vor dem Küchenfenster, einen hübsch gemaserten Stein, den er irgendwo vom Weg aufhob, manchmal waren es nur ein paar Grashalme. Und manchmal zündete er ein Licht für sie an, obwohl er nicht wusste, wie es ihr leuchten sollte in der ewigen Dunkelheit ihrer schönen Kiste, wenn er es nur oben auf die Erde stellte.
    Nach einer halben Stunde, in der er nur reglos am Grab stand, als hielte er Zwiesprache mit seiner Mutter, ging er weiter. Manchmal sah man ihn auf dem Weg zu seinem Elternhaus – von dem es nicht weit war zum Bendchen. Manchmal sah man ihn in der Nähe des Lässler-Hofs.
    Als Patrizia am frühen Donnerstagvormittag vergebens auf den Klingelknopf an Leonard Darscheids Haustür drückte, war Ben bei ihr. Sie waren über die Bachstraße gekommen. Als sich auch nach dem dritten Klingeln nichts rührte, fragte Patrizia: «Sollen wir es hinten versuchen oder zuerst Einkäufe machen?»
    Mit Ben einkaufen mochte Patrizia besonders gerne. Erbahnte ihr im Supermarkt immer den Weg zur Kasse, damit sie nicht in der Schlange anstehen musste. Alle anderen machten automatisch Platz, wenn er erschien.
    Die Alternative, die sie ihm geboten hatte, beantwortete er mit einem Kopfschütteln und einem anschließenden Nicken. Das hieß, er wollte es nicht beim Atelier am Feldweg versuchen, sondern zuerst mit ihr Einkäufe machen. Dass jemals ein simples Ja oder Nein über seine Lippen kam, erwartete auch Patrizia nicht mehr. Aber man konnte ihm drei oder vier Fragen hintereinander stellen, er beantwortete sie der Reihe nach auf seine Weise. Achtzehn Monate Training mit Patrizia hatten dazu geführt, dass er auch längere Erklärungen aufnehmen konnte.
    So fuhren sie zuerst in Bruno Kleus Wagen nach Lohberg. In der Lebensmittelabteilung des Kaufhauses herrschte wie immer viel Betrieb. Und er brauchte sehr lange, ehe er sich etwas ausgesucht hatte. Er durfte sich immer etwas aussuchen, wenn er nicht nervös wurde im Gedränge. Natürlich wurde er immer nervös, aber wenn er sich tapfer durchkämpfte, nicht schon am Kaffeeregal einen Fluchtweg suchte, gab es eine Belohnung.
    Da er immer ein stilles Fleckchen wählte, um in Ruhe zu entscheiden, was er gerne haben wollte, fielen die Belohnungen sehr unterschiedlich aus. Mal trug er eine Dose Cola zur Kasse, die er dann unterwegs im Auto sofort austrank, mal

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