Lukkas Erbe
etwas Schlimmes, auch Vanessas Mörder nicht. Er trauerte seit Wochen um die Frau, die er getötet hatte. Das Deckenbündel in dem alten Gewölbekeller versetzte ihn bei jedem Besuch ein wenig mehr in einen Zustand tiefer Depression. In den ersten Tagen war es noch schön gewesen mit ihr, obwohl sie nicht mehr lebte.
Er hatte sich wohl gefühlt, wenn er neben ihr saß. Es war ruhig und friedlich, hübsch eingerichtet, überall Lichter verteilt und die kleinen Holzfiguren. Niemand störte ihn, kein Mensch wagte sich in der Nacht zum Bruch. Er konnte sich völlig seinen Gedanken und Träumen hingeben, musste nicht ständig wachsam sein. Damit die Decken nicht gar so nach Tod aussahen, hatte er sie mit einigen Kleidungsstücken aus dem Koffer bedeckt.
Aber inzwischen drang der Geruch durch, wenn er unmittelbar neben ihr saß, störte es ihn. Von Mal zu Mal musste er etwas mehr Abstand halten. Und so viel Platz war nicht in dem Raum unter den Trümmerbergen. Nun saß er schon auf der morschen Stiege, halb im Freien, musste den Kopf einziehen, weil ein dicker Balken quer über dem Eingang lag. Es war unbequem und kühl, in den vergangenen Nächten hatte es geregnet, in dieser Nacht zum Glück nicht. Es war seine letzte Nacht mit ihr.
Er zögerte die Trennung so lange wie möglich hinaus. Es war schon alles vorbereitet, das Loch für sie ausgehoben.Es war nicht sehr tief, im Bruch war es nicht möglich, tief zu graben. Überall im Boden lagen Steine. Auswickeln mochte er sie nicht mehr, wollte sich nicht anschauen, in welchen Zustand er sie versetzt hatte.
Er hatte das nicht gewollt, hatte es nur tun müssen, damit sie ihn nicht verriet. Aber vielleicht hätte sie das gar nicht getan. Sie war älter gewesen, reifer, erfahren, nicht so ein junges, dummes Ding wie Svenja Krahl, nicht so arrogant wie Rita Meier, nicht ängstlich wie Katrin Terjung. In der Zeit mit ihr hatte er kaum einmal an eine der anderen gedacht, auch nur selten an Nicole und gar nicht an Miriam Wagner. Das tat er auch in der Nacht noch nicht.
Er tat nur, was getan werden musste, hatte Säcke mitgebracht, weil er das Deckenbündel nicht noch einmal tragen wollte, auch nicht tragen durfte, man hätte den Tod riechen können, wenn er sie noch einmal auf die Schulter nahm. Kordel hatte er auch dabei, streifte die Säcke von oben und unten über die Decken, umwickelte alles mit der Kordel und schleifte sie zu der morschen Stiege.
Dann zog er sie hoch, unter dem querliegenden Balken durch zu dem Loch. Die Säcke wurden dabei beschädigt, das kümmerte ihn nicht. Nachdem er sie hingelegt und mit Erde bedeckt hatte, grub er an anderen Stellen ein paar Pflanzen aus, drückte die Wurzel in der lockeren Erde fest und legte auch noch ein paar Steine hin.
Es war immer noch dunkel, als er endlich fertig war. Er wartete, bis im Osten der erste graue Schimmer des Tages aufzog, um zu prüfen, wie stark das Grab sich von der Umgebung unterschied. Die lockere Erde sah noch sehr verräterisch aus, doch mit dem nächsten kräftigen Regen, wenn die Pflanzen Wurzeln schlugen, würde niemand mehr etwas sehen.
Von dem Koffer und ihren Sachen mochte er sich nichttrennen. Er packte alles ein und versteckte den Koffer im hintersten Winkel des Gewölbes. Auch die Kerzenstummel und Figuren ließ er zurück. Die Steine häufte er nicht mehr vor den Eingang.
Ehe er die Frau hergebracht hatte, war der Eingang offen gewesen. Und in wenigen Wochen begann die Rübenernte. Auf der anderen Seite des Weges zogen sich die großen Rübenfelder entlang, die Bruno Kleu gehörten. Es war nicht auszuschließen, dass einmal einer der Männer über die Kante stieg und sich wunderte, wenn da wieder die Steine lagen, der offene, dunkle Schlund reizte bestimmt niemanden, die Stiege hinunterzuklettern und sich in dem Loch umzuschauen.
Klärende Gespräche
Bens unverhofftes Auftauchen vor der Terrasse hatte Miriam Wagner zunächst sehr gestört. Nicole war so nahe daran gewesen, das Arbeitsangebot anzunehmen.
Dabei ging es Miriam nur um eins: Sie wollte Nicole behalten und mehr von ihr haben als diese Stunden am Nachmittag alle zwei Wochen. Sich zurückfallen lassen in die frühen Jahre, geliebt, umsorgt, gehätschelt und bekocht werden, von morgens bis abends in der Nähe einer Frau, die sie so sehr an ihre Mutter erinnerte.
Genau genommen hatte Nicole mehr von Miriams Mutter, als der Tochter lieb war. Dieses Zögern, unfähig, aus eigener Kraft einen Schlussstrich zu ziehen. Da brauchte es
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