Lukkas Erbe
vielleicht einfach nur Pech. Aber deine Schwester will mir nicht in den Kopf. Welchen Grund hatte Lukka, sie zu verletzen? Du warst dabei, sag es mir.»
Er hätte es ihr vielleicht sagen können. Zu den Bildern in seinem Kopf gehörten viele Worte, und einige waren noch da. Aber es waren nicht seine Worte. Die Notwendigkeit, sie in bestimmten Situationen auszusprechen, kannte er nicht. Er durchlebte es immer nur für sich allein.
Marlene Jensen, die ihn mit ihrem ungehaltenen: «Lass das, du Idiot», in die Schranken verwies, als er die Finger durch ihr Haar gleiten ließ.
Britta Lässler, die weinend neben ihm ging und schluchzte: «Du bist selber schuld, wenn alle so was von dir denken.»
Und die Stimme seines Freundes, als Tanja blutend am Boden lag: «Was hast du gemacht, du dummer Kerl? Geh nach Hause, geh zu Mutter. Ich bringe es zu Ende. Das muss sein.»
Die fremde Frau, die kleine Maus hieß, sagte auch viele Worte, fast so viele wie Patrizia, bei der alles immer so leicht und schnell klang. Die kleine Maus klang langsam und schwer, so wie er sich jetzt fühlte, allein. Traurig sagte Patrizia dazu. Er war sehr traurig, die Frau vor ihm auch.
Währenddessen bemühte Nicole Rehbach sich um Bruno Kleu. Zweimal verlangte Bruno, sie solle sich zum Teufel scheren. Das tat sie natürlich nicht. Nicole redete und redete, fast so viel wie Patrizia, ohne zu wissen, was sie eigentlich sagen sollte.
Aus den halben Sätzen, die er von sich gab, zog Nicole den Schluss, dass Bruno vermutete, Ben könne seineTochter und die beiden anderen getötet haben. Es war ein Missverständnis, aber das erkannte Nicole nicht. In bester Absicht beging sie den großen Fehler, Bruno zu erklären, was sie von Bens Schwester Bärbel gehört hatte.
Bruno glaubte Nicole nicht eine Sekunde lang. Die Leichen in Lukkas Auftrag begraben. Er hatte Lukka gut gekannt und war sicher, das Risiko wäre der Scheißkerl nie eingegangen. Ben war unkalkulierbar. Was er tun sollte, tat er nur, wenn man ihn dabei die ganze Zeit über im Auge behielt.
Wie oft hatte Jakob sich früher darüber aufgeregt, dass man ihn nicht kontrollieren konnte. Man erklärte ihm, warum dieses oder jenes so sein oder getan werden müsste. Er nickte, als habe er alles verstanden und könne das auch akzeptieren. Dann tat er genau das Gegenteil.
Nicole erkannte rasch, dass sie den Schaden nur vergrößert hatte. Also schlug sie vor: «Sie sollten einmal mit Walter Hambloch sprechen, Herr Kleu. Er kann Ihnen das alles genau erklären. Er war im Bungalow und auch dabei, als die Leichen geborgen wurden.»
Walter Hambloch saß mit Hartmut zusammen am Computer. Erfreut reagierte er nicht, als Nicole mit Bruno Kleu auftauchte und ihm Auskünfte abverlangte. Er stellte erst einmal klar, dass er in Teufels Küche komme, wenn er polizeiliche Erkenntnisse an eine Privatperson weitergäbe. Erst als Bruno erklärte, warum er als Privatperson so brennend interessiert sei und was er in Trudes Wohnzimmerschrank gefunden hatte, gab Walter Hambloch nach.
Dass gegen Trude Schlösser Anklage erhoben worden war, hörte der Polizist zum ersten Mal. Bärbel hatte nur mit Nicole darüber gesprochen. Als er dann noch hörte, wie viele Beweise Bens Mutter vernichtet hatte, sagte Walter Hambloch fassungslos: «Das ist ja unglaublich.»
Er erklärte erst einmal ausdrücklich, an Lukkas Schuld und am Tatort Keller habe es keine Zweifel gegeben. Im Freien sei es unmöglich gewesen, die Frauen in den Zustand zu versetzen, in dem sie gefunden worden waren. Dann ging Walter Hambloch ins Detail.
Bruno begriff schon nach wenigen Sätzen, dass Nicole zumindest in einem Punkt die Wahrheit gesagt hatte. Ein Loch von der Tiefe hätte Lukka niemals schaufeln können. Wann hätte der Zwerg das machen sollen? Tagsüber war er in seiner Kanzlei gewesen. Das Risiko wäre er auch nicht eingegangen, man hätte ihn sehen können. Und bei Nacht hätte er eine Lampe gebraucht, das hätte er erst recht nicht riskiert.
Und so wie Walter Hambloch die Fundsituation beschrieb, die Verwunderung des Gerichtsmediziners, alles hübsch beieinander, als hätte der Täter seinen Opfern zuletzt noch so etwas wie Ehrfurcht erweisen wollen. Ehrfurcht hatte Lukka bestimmt nicht gehabt. Für Bruno war die Sache einigermaßen klar. Lukka hatte die Leichen irgendwo abgelegt, wie er es mit Britta getan hatte. Den Rest hatte Ben übernommen. Aber warum?
Bruno beruhigte sich allmählich, nippte gelegentlich an dem Weinbrand, den
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