Lukkas Erbe
antworten sollte.
7. Oktober 1997
Dorit Prangs Verschwinden wurde von mehreren Personen registriert. In der Kölner Klinik fiel den Krankenschwestern auf, dass die junge Frau ihren Mann nicht mehr besuchte. Ihr Mann bemerkte das natürlich auch, aber es ging ihm sehr schlecht. Er war nicht imstande, einmal zu Hause anzurufen und zu fragen, warum Dorit ihm nicht beistand in seinen letzten Tagen.
Eine Krankenschwester versprach, das für ihn zu tun.Als sie keine Verbindung bekam, dachte sie sich ihren Teil. Von dem, was zwei Jahre zuvor im Dorf passiert war, wusste die Krankenschwester nichts. Sie wusste nur, dass junge Frauen oft einer Belastung auswichen und es nicht ertrugen, einen geliebten Menschen zu verlieren.
Aber noch jemand vermisste Dorit Prang, ihre Nachbarin Maria Jensen. Maria hatte die junge Frau am 2. Oktober gegen Mittag zum Bahnhof nach Lohberg gefahren, weil Dorit Prang unter der seelischen Belastung nicht selbst fahren sollte. Maria fuhr sie täglich um dieselbe Zeit. Zurück ins Dorf kam Dorit immer mit einem Taxi. Maria hatte sie auch am Donnerstag und am Freitag nach Lohberg fahren wollen, an beiden Tagen jedoch vergebens bei ihr geklingelt und zuerst angenommen, sie sei vielleicht doch selbst gefahren.
Am Samstag, es war der 5. Oktober, besuchte Maria das Grab ihrer Tochter und entdeckte den verwelkten Blumenstrauß vor dem Grabstein von Dorit Prangs Großeltern. Der Strauß lag einfach da, neben der leeren Vase. Das kam Maria sehr merkwürdig vor. Am Sonntagnachmittag sprach sie auf Bruno Kleus Hof über ihre Vermutung. An diesem Nachmittag lebte Dorit Prang noch.
Es war der Geburtstag von Dieter Kleu. Nicole und Hartmut Rehbach saßen mit am Kaffeetisch, Ben half Patrizia in der Küche. Maria hätte gerne einmal in der Garage von Dorit Prang nachgeschaut, ob das Auto noch da war. Wenn Bruno bereit gewesen wäre, das Tor aufzubrechen. Bruno tippte sich nur an die Stirn und schlug vor, sie solle die Wache in Lohberg verständigen. Dann konnte die Polizei die Garage aufbrechen lassen.
«Die husten mir was», sagte Maria. «Ich habe auf der Wache angerufen, sie sehen keinen Handlungsbedarf. Dorit ist eine erwachsene Frau. Mit Hambloch habe ich auch gesprochen. Er wohnt ja in meiner Nähe, und ichdachte, wenn er offiziell nichts tun kann, dann vielleicht als Nachbar. Er hat genauso reagiert wie du, Garage aufbrechen sei Hausfriedensbruch. Es gebe keine Anzeichen, dass Dorit etwas zugestoßen sei. Aber Dorit muss etwas zugestoßen sein. Und ich halte jede Wette, es ist auf dem Friedhof passiert. Warum hat sie die Blumen nicht mehr ins Wasser gestellt?» Darauf bekam Maria keine Antwort. «Jetzt sind es schon zwei Frauen», sagte Maria und schaute in die Runde. «Oder glaubt hier jemand, dass die Greven mit einem jugendlichen Liebhaber durchgebrannt ist? Ich glaub’s nicht. Wo hätte sie denn einen Liebhaber kennen lernen sollen, im Supermarkt oder vielleicht im Atelier? Woanders war sie doch nicht.»
Auch darauf bekam Maria keine Antwort. Sie schaute wie zufällig auf Ben und erkundigte sich anscheinend ohne Zusammenhang bei Bruno: «Wie lange willst du ihn eigentlich noch hier behalten?» Bruno ignorierte auch diese Frage.
Nach dem Kaffee weinte Patrizia sich in der Küche bei ihrer Schwägerin aus. Nicole half ihr, die Reste der Torten zusammenzustellen und das Geschirr in die Spülmaschine zu räumen. Ben war hinauf in sein Zimmer gegangen.
«Das macht Maria jedes Mal, wenn sie hier ist», schimpfte Patrizia unter Tränen. «Seit meiner Hochzeit geht das so. Sie hat sich übernommen mit dem Haus am Lerchenweg, würde es gern wieder loswerden und hier einziehen. Jetzt ist ja jemand da, der die Kühe rauslässt, die Kälber versorgt und den Dreck wegmacht. Aber dass Ben auch hier ist, passt ihr nicht. Die blöde Kuh, sie will, dass er wieder in ein Heim kommt. Und das sagt sie immer, wenn er dabeisitzt. Bruno hat schon ein paar Mal gesagt, sie soll den Mund halten, sie macht ihn nervös. Da sagt sie, der versteht doch nur Bahnhof. Er versteht alles, das kannst du glauben.»
Patrizia stellte ein Tablett mit Torte in den Kühlschrank. «Das mit dem Friedhof sagt sie nur, weil sie genau weiß, dass Ben jeden Abend dahin geht. Ich mache eine ambulante Entbindung. Sonst ist er weg, wenn ich wiederkomme.» Patrizia ließ sich auf einem Stuhl nieder, dann fragte sie: «Versprichst du mir was? Wenn ich ins Krankenhaus muss, kann ich ihn so lange zu dir bringen? Ich mach auch schnell,
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