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Lullaby (DE)

Lullaby (DE)

Titel: Lullaby (DE) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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Privatbriefe auf Luxuspapier mal wieder sehr, sehr in. Im Estate -Magazin steht folgende Anzeige:
    Achtung an alle Mitglieder
des Bridle Mountain Reit- und Poloclubs
     
    Dort steht: »Haben Sie sich bei einem Pferd mit einer parasitären Hautentzündung angesteckt?«
    Die Telefonnummer ist mir noch nicht begegnet.
    Die Frau im Radio sagt der Schlampe, sie solle aufhören zu heulen.
    Das wäre also Big Brother; er haut auf die Pauke und zwangsernährt dich, damit dein Kopf niemals Hunger aufs Denken bekommt.
    Mona Sabbat legt beide Ellbogen auf den Schreibtisch, wiegt ihr Lunch in den Händen und beugt sich dicht über das Radio. Das Telefon klingelt, sie nimmt ab und sagt: »Maklerbüro Helen Boyle. Jederzeit das richtige Haus.« Sie sagt: »Entschuldige, Oyster, jetzt läuft grade Dr. Sara.« Sie sagt: »Wir sehen uns beim Ritual.«
    Die Frau im Radio beschimpft die heulende Schlampe als Miststück.
    First Class meldet auf der Titelseite: »Zobel, der verzeihliche Mord.«
    Und während ich so halb lese und halb dem Radio zuhöre, schießt mir schnell wie ein Schluckauf das Merzlied durch den Kopf.
    Im Radiowecker ist bloß das Geflenne der Schlampe zu hören.
    Statt der älteren Frau kommt nur noch Schweigen. Herrliches, goldenes Schweigen. Zu vollkommen, als dass noch jemand am Leben sein könnte.
    Die Schlampe holt tief Luft und sagt: »Dr. Sara?« Sie sagt: »Dr. Sara, sind Sie noch da?«
    Und eine tiefe Stimme meldet sich mit der Ansage, bei der Übertragung der Dr. Sara Lowenstein Show seien vorübergehend technische Schwierigkeiten aufgetreten. Die tiefe Stimme bittet um Nachsicht. Kurz darauf setzt Tanzmusik ein.
    Die Zeitschrift Manor-Born meldet auf der Titelseite: »Diamanten als Freizeitschmuck!«
    Ich nehme die Hände vors Gesicht und stöhne.
    Diese Mona zieht die Folie von ihrem Lunch etwas weiter ab und nimmt den nächsten Bissen. Sie stellt das Radio ab und sagt: »Mist.«
    Von ihren Handrücken schlängeln sich rostbraune Hennamuster über die Finger, und an Fingern und Daumen trägt sie klobige Silberringe. Um den Hals hat sie einen Haufen Silberkettchen hängen, die in ihrem orangefarbenen Kleid verschwinden. Im Brustbereich beult sich der faltige orangefarbene Stoff des Kleids von all den Anhängern, die darunter hängen. Ihre Frisur besteht aus tausend hochgesteckten Löckchen und Dreadlocks in Rot und Schwarz, und sie trägt filigrane silberne Ohrringe. Die Augen sehen bernsteinfarben aus. Die Fingernägel schwarz.
    Ich frage, ob sie schon lange hier arbeitet.
    »Sie meinen«, sagt sie, »in irdischer Zeit?« Sie nimmt ein Taschenbuch aus einer der Schreibtischschubladen. Zieht die Verschlusskappe von einem knallgelben Marker und schlägt das Buch auf.
    Ich frage, ob Mrs. Boyle auch über Gedichte redet.
    Und Mona sagt: »Sie meinen Helen?«
    Ja, zitiert sie schon mal Gedichte? Hier im Büro, ruft sie da schon mal Leute an und liest ihnen Gedichte vor?
    »Verstehen Sie mich nicht falsch«, sagt Mona, »aber Mrs. Boyle interessiert sich hier vor allem für die finanziellen Angelegenheiten, wirklich.«
    Ich muss zu zählen anfangen, zähle 1, zähle 2 . . .
    »Die Sache ist die«, sagt sie. »Bei schlechten Verkehrsverhältnissen bittet Mrs. Boyle mich immer, mit ihr nach Hause zu fahren  – bloß damit sie die Spur für Fahrgemeinschaften benutzen kann. Und ich muss dann zweimal mit dem Bus umsteigen, um selbst nach Hause zu kommen, wirklich.«
    Ich zähle 4, zähle 5 . . .
    Sie sagt: »Einmal haben wir uns ganz großartig über die Kraft von Kristallen ausgetauscht. Ich hatte schon das Gefühl, endlich würden wir wenigstens auf einer Ebene mal was gemeinsam haben; aber dann stellt sich heraus, dass wir von zwei völlig verschiedenen Wirklichkeiten gesprochen hatten.«
    Ich springe auf. Entfalte ein Blatt Papier aus meiner Hosentasche, zeige ihr das Gedicht und frage, ob ihr das bekannt vorkommt.
    In dem Buch auf ihrem Schreibtisch ist die Stelle markiert: Magie ist die Feinabstimmung von Energie, die für natürliche Veränderungen benötigt wird.
    Ihre bernsteinfarbenen Augen bewegen sich vor dem Gedicht hin und her. Über dem orangefarbenen Ausschnitt ihres Kleids – über dem rechten Schlüsselbein – sind drei winzige schwarze Sterne eintätowiert. Sie sitzt mit übereinander geschlagenen Beinen auf dem Drehstuhl. Die Füße sind nackt und schmutzig, und an beiden großen Zehen trägt sie Silberringe.
    »Ich weiß, was das ist«, sagt sie und streckt die Hand danach aus. Bevor sie

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