Lullaby (DE)
unter Kontrolle zu kriegen.
Und Mona Sabbat hört auf, in dem Block herumzukritzeln, und reißt das Blatt ab. Sie hält es zwischen uns und sagt: »Wenn Sie wirklich ernsthaft lernen wollen, diese Macht zu beherrschen, müssen Sie mal an einem Ritual der praktizierenden Wiccan teilnehmen.« Sie wedelt mit dem Papier vor mir herum und sagt: »Da haben wir über eintausend Jahre Erfahrung in einem einzigen Raum.« Und dann stellt sie den Polizeifunkscanner an.
Ich nehme das Blatt. Darauf steht eine Adresse, Datum und Uhrzeit.
Der Polizeifunk sagt: »Wagen Bravo-neun, Einsatzcode neun-vierzehn, Apartmenthaus Loomis Place, Wohnung 5D.«
»Um die mystische Tiefe dieses Wissens zu erfahren, braucht man ein ganzes Leben«, sagt sie. Sie nimmt ihr Lunch und zieht die Folie zurück. »Ach«, sagt sie, »und bringen Sie Ihr vegetarisches Lieblingsessen mit.«
Und der Polizeifunk sagt: »Roger?«
15
Helen Hoover Boyle nimmt ihr Handy aus der grün-weißen Handtasche, die sie in der Ellbogenbeuge trägt. Dann zückt sie eine Visitenkarte und blickt, während sie die Nummer eintippt, immer wieder zwischen Karte und Handy hin und her; die kleinen grünen Tasten glühen im Dämmerlicht. Hellgrün vor dem Rosa ihres Fingernagels. Die Visitenkarte hat eine Goldkante.
Sie drückt das Handy tief in ihre rosa Haarwolke. Sie sagt: »Ja, ich bin irgendwo in Ihrem reizenden Laden und brauche leider jemanden, der mir den Weg nach draußen zeigt.«
Sie beugt sich vor die Expertise, die an einem Wandschrank klebt, der doppelt so groß wie sie ist, und sagt in ihr Handy: »Ich stehe hier vor einem...«, und sie liest ab, »neoklassizistischen Wandschrank im Stile Adams mit feuervergoldeten Arabeskenkartuschen.« Sie sieht mich an und verdreht die Augen. Ins Handy sagt sie: »Er soll siebzehntausend Dollar kosten.«
Ihre Füße entsteigen grünen Stilettos, und dann steht sie plattfüßig in reinweißen Strümpfen auf dem Betonfußboden. Es ist kein Weiß von der Art, die einen an Unterwäsche erinnert. Eher ist es das Weiß der Haut darunter. Die Strümpfe bewirken, dass es aussieht, als hätte sie Schwimmhäute zwischen den Zehen.
Der Rock ihres Kostüms ist auf Taille geschnitten. Er ist grün, aber nicht limonengrün, eher grün wie Limonenkuchen. Es ist nicht das Grün einer Avocado, sondern eher das Grün von Avocadocremesuppe, worauf eine hauchdünne Limonenscheibe liegt, eiskalt serviert in einem gelben Sèvres-Suppenteller.
Es ist ein Grün, wie der grüne Filz eines Billardtischs unter der gelben Einerkugel aussieht, nicht wie unter der roten Dreier.
Ich frage Helen Hoover Boyle, was Code neun-vierzehn bedeutet.
Und sie sagt: »Eine Leiche.«
Und ich sage, das dachte ich mir.
Ins Handy sagt sie: »Wie war das? Muss ich an der Rosenholz-Hepplewhite-Kommode mit geschnitzten Geißblattornamenten und behandelt mit Seidenpulver nun nach links oder nach rechts abbiegen?«
Sie hält eine Hand vors Handy, beugt sich näher zu mir heran und sagt: »Sie kennen Mona nicht.« Sie sagt: »Ich bezweifle, dass ihre kleine Hexengesellschaft mehr ist als nur ein Haufen Hippies, die nackt um einen flachen Stein herumtanzen.«
Aus dieser Nähe sind ihre Haare nicht so einheitlich rosa. Jede Locke ist nach außen hin etwas heller als innen, und man sieht Himbeer-, Pfirsich-, Rosen- und andere Rotnuancen.
Ins Handy sagt sie: »Und wenn ich an dem Satinholz-Schaukelstuhl aus der Cromwell-Ära mit Elfenbeinwappen vorbei bin, bin ich schon zu weit. Verstanden.«
Zu mir sagt sie: »Gott, wenn Sie Mona bloß nichts davon erzählt hätten. Mona wird es ihrem Freund erzählen, und mich wird sie ewig damit voll schwatzen.«
Um uns drängt sich das Möbellabyrinth, braun, rot und schwarz. Gold, und hier und da Spiegel.
Mit einer Hand befingert sie den Diamantsolitär an der anderen Hand. Der Diamant ist klotzig und scharf. Sie dreht ihn so, dass er sich über ihre Handfläche erhebt, legt die Hand auf die Vorderseite des Wandschranks und kratzt einen Pfeil hinein, der nach links zeigt.
Einen Pfad durch die Geschichte schlagen.
Ins Handy sagt sie: »Recht herzlichen Dank.« Sie klappt es zu und lässt es in der Handtasche verschwinden.
Die Klunker um ihren Hals sind teils aus einem grünen Stein, teils aus Gold. Darunter trägt sie mehrere Perlenketten. Nichts von diesem Schmuck habe ich schon einmal gesehen.
Sie steigt in ihre Schuhe zurück und sagt: »Von jetzt an muss ich dafür sorgen, dass Sie und Mona nicht mehr miteinander
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