Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lullaby (DE)

Lullaby (DE)

Titel: Lullaby (DE) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
Vom Netzwerk:
stehen im Schatten unter der Markise des Haushaltswarengeschäfts.
    Mit einem Okkupationszauber kann man sein Bewusstsein in den Körper eines anderen Lebewesens projizieren.
    Ich sehe ihn an, zu lange, und frage, ob er nicht die Krähe ist, die einer anderen die Augen aushackt.
    »Tiere, Menschen«, sagt Sarge, »man kann sich so ziemlich in jeden lebenden Körper versetzen.«
    Und ich sage, ja, erzähl mir davon.
    Wir fahren an dem Mann vorbei, der den Aschram rosa anstreicht, und Sarge sagt: »Wenn du mich fragst, ist Reinkarnation nur eine Methode der Aufschieberei.«
    Und ich sage, ja, ja, ja. Den kenne ich schon.
    Sarge greift über den Vordersitz und legt seine faltige, fleckige Hand auf meine. Sein Handrücken ist dicht mit grauen Haaren bewachsen. Seine Finger sind kalt vom Hantieren mit der Pistole. Sarge drückt meine Hand und sagt: »Liebst du mich noch?«
    Und ich frage, ob mir denn was anderes übrig bleibt.

33
     
    Die Menschenmassen drängen sich um uns, Frauen in Halter-Tops und Männer mit Cowboyhüten. Die Leute essen kandierte Äpfel an Stöcken und geschabtes Eis in Papiertüten. Überall ist Staub. Als jemand Helen auf den Fuß tritt, zieht sie ihn zurück und sagt: »Ich stelle fest, egal wie viele Leute ich töte, es sind niemals genug.«
    Ich sage, reden wir nicht vom Geschäft.
    Auf dem Boden liegen überall dicke schwarze Kabel herum. Im Dunkel jenseits der Lichter wird Diesel in Motoren zu Strom verbrannt. Es riecht nach Diesel und Tiefkühlessen und Kotze und Puderzucker.
    So was nennt man heutzutage Vergnügen.
    Ein Schrei segelt an uns vorbei. Und Mona. Sie sitzt in einem Karussell, auf dem in Neonschrift der Name Oktopus steht. Arme aus schwarzem Metall drehen sich wie verbogene Speichen um eine Nabe. Und steigen gleichzeitig auf und nieder. Am Ende jedes Arms hängt ein Sitz, und jeder Sitz dreht sich um die eigene Achse. Wieder segelt der Schrei vorbei, und eine Fahne aus rotschwarzem Haar. Die Silberketten und Talismane stehen waagerecht von Monas Hals ab. Sie klammert sich mit beiden Händen an den Sicherungsbügel vor ihrem Schoß.
    Die Ruinen der westlichen Zivilisation, die Türmchen und Türme und Schornsteine, fliegen Mona aus den Haaren. Eine I-Ging-Münze schießt an uns vorbei.
    Helen sieht hinter Mona her und sagt: »Fast wie auf dem Hexenbesen.«
    Mein Piepser meldet sich wieder einmal. Dieselbe Nummer wie bei diesem Polizisten. Ein neuer Erlöser ist mir auf den Fersen.
    Je mehr Leute sterben, desto mehr bleibt alles beim Alten.
    Ich schalte den Piepser ab.
    Und Helen sieht der vorbeikreischenden Mona hinterher und sagt: »Schlechte Nachrichten?«
    Ich sage, nichts Wichtiges.
    Helen stakt in ihren rosa Stilettos durch Schlamm und Sägemehl und steigt über die schwarzen Stromkabel.
    Ich reiche ihr die Hand und sage: »Hier.«
    Und sie nimmt sie. Und ich lasse sie nicht los. Und es scheint sie nicht zu stören. Und wir gehen Hand in Hand. Und das ist schön.
    Sie hat nur noch wenige große Ringe übrig, also ist der Griff nicht so schmerzhaft, wie man meinen könnte.
    Die Karusselle dreschen um uns durch die Luft, diamantweiße, smaragdgrüne, rubinrote Lämpchen, türkisfarbene und saphirblaue Lämpchen, das Gelb von Zitronen, das Orange von Bernstein. Rockmusik dröhnt aus den überall aufgestellten Lautsprechern.
    Rocksüchtige. Phobiker der Stille.
    Ich frage Helen, wann sie das letzte Mal mit dem Riesenrad gefahren ist.
    Überall sieht man Männer und Frauen Hand in Hand. Sie küssen sich, sie füttern einander mit rosa Zuckerwatte. Sie gehen Seite an Seite, eine Hand in der hinteren Backentasche des anderen.
    Helen sieht sich die Leute an und sagt: »Versteh mich nicht falsch – aber wann war dein letztes Mal?«
    Wie? Mein letztes Mal?
    »Du weißt schon.«
    Ich bin mir nicht sicher, ob mein letztes Mal zählt, aber das muss vor ungefähr achtzehn Jahren gewesen sein.
    Und Helen sagt lächelnd: »Kein Wunder, dass du so komisch gehst.« Sie sagt: »Bei mir sind es gut zwanzig her seit John.«
    Auf dem Boden liegt zwischen Sägemehl und Kabeln ein zerknülltes Zeitungsblatt. Eine dreispaltige Anzeige ist zu erkennen:
    Achtung an die Kunden
des Immobilienbüros Helen Boyle
     
    Der Text lautet: »Hat man Ihnen ein Spukhaus verkauft? Falls ja, rufen Sie bitte die folgende Nummer an, um sich an einer Sammelklage zu beteiligen.«
    Dann Oysters Handynummer. Ich sage: Bitte, Helen, warum hast du ihm davon erzählt?
    Helen wirft einen Blick auf die Anzeige und drückt

Weitere Kostenlose Bücher