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Lulu

Lulu

Titel: Lulu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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Junge hat sein Herz wohl im Café »Nachtlicht« zurückgelassen?!
    RODRIGO (zwischen den Gardinen)
    Er ist noch zu klein für die große Welt und kann noch nicht so weit zu Fuß gehen. (Verschwindet.)
    SCHIGOLCH (kommt die Treppe herunter)
    Gott sei Dank, dass wir endlich wieder zu Hause sind! Welcher Stinkpeter wohl wieder die Treppe gewichst hat! Wenn ich mir meine Knochen vor der Heimrufung noch mal in Gips gießen lassen muss, dann kann sie mich zwischen den Palmen hier ihren Relationen als mediceische Venus vorstellen. Nichts als Klippen. Nichts als Fallstricke.
    RODRIGO (kommt, Hugenberg auf den Armen tragend, die Treppe herunter)
    Das hat einen königlichen Polizeidirektor zum Vater und nicht so viel Courage im Leib wie der abgerissenste Landstreicher!
    HUGENBERG
    Wenn es auf nichts als auf Tod und Leben ginge, dann solltet ihr mich kennenlernen!
    RODRIGO
    Das Brüderchen wiegt samt seinem Liebeskummer nicht mehr als sechzig Kilo. Darauf will ich mich jede Minute hängen lassen.
    SCHIGOLCH
    Wirf ihn an den Plafond hinauf und fang ihn mit den Füßen auf. Das peitscht ihm sein junges Blut gleich von vornherein in die richtige Wallung.
    HUGENBERG (mit den Beinen strampelnd)
    O je, o je, ich werde von der Schule gejagt!
    RODRIGO (ihn am Treppenfuß niedersetzend)
    Du bist noch auf gar keiner vernünftigen Schule gewesen!
    SCHIGOLCH
    Hier hat sich schon mancher die ersten Sporen verdient. Nur ja keine Schüchternheit! Zuerst werde ich euch einen Tropfen vorsetzen, wie er für Geld nirgends zu haben ist. (Er öffnet ein Schränkchen unter der Treppe.)
    HUGENBERG
    Wenn sie jetzt aber nicht unverzüglich angetanzt kommt, dann verhaue ich euch beide, dass ihr euch noch im Jenseits den Buckel reibt.
    RODRIGO (hat sich rechts an den Tisch gesetzt)
    Den stärksten Mann der Welt will das Brüderchen verhaun! (Zu Hugenberg.) Lass dir von Mutterchen erst lange Hosen anziehen.
    HUGENBERG (sich links an den Tisch setzend)
    Ich wünschte lieber, du borgtest mir deinen Schnurrbart.
    RODRIGO
    Willst du vielleicht, dass sie dich gleich zur Türe hinauswirft?
    HUGENBERG
    Zum Henker noch mal, wenn ich nur schon wüsste, was ich ihr sagen soll!
    RODRIGO
    Das weiß sie schon selber am besten.
    SCHIGOLCH (setzt zwei Flaschen und drei Gläser auf den Tisch)
    Die eine habe ich gestern schon angebrochen. (Er füllt die Gläser.)
    RODRIGO (Hugenbergs Glas schützend)
    Gib ihm nicht zu viel, sonst müssen wir beide es ausbaden.
    SCHIGOLCH (sich mit beiden Händen auf die Tischplatte stützend)
    Rauchen die Herren?
    HUGENBERG (sein Zigarrenetui öffnend)
    Da sind Habanna-Importen!
    RODRIGO (sich bedienend)
    Von Papa Polizeidirektor?
    SCHIGOLCH (sich setzend)
    Ich habe alles im Hause. Braucht nur zu befehlen.
    HUGENBERG
    Ich habe ihr gestern ein Gedicht gemacht.
    RODRIGO
    Was hast du ihr gemacht?
    SCHIGOLCH
    Was hat er ihr gemacht?
    HUGENBERG
    Ein Gedicht.
    RODRIGO (zu Schigolch)
    Ein Gedicht.
    SCHIGOLCH
    Einen Taler hat er mir versprochen, wenn ich auskundschafte, wo er mit ihr allein zusammentreffen kann.
    HUGENBERG
    Wer wohnt denn eigentlich hier?
    RODRIGO
    Hier wohnen wir!
    SCHIGOLCH
    Jour fix – jeden Börsentag! – Zum Wohl!
    (Sie stoßen an.)
    HUGENBERG
     – Soll ich es ihr vielleicht zuerst vorlesen?
    SCHIGOLCH (zu Rodrigo)
    Was meint er?
    RODRIGO
    Sein Gedicht. Er will sie gerne zuerst ein wenig auf die Folter spannen.
    SCHIGOLCH (Hugenberg fixierend)
    Die Augen! Die Augen!
    RODRIGO
    Die Augen, ja! Die haben sie seit acht Tagen um ihren Schlaf gebracht.
    SCHIGOLCH (zu Rodrigo)
    Du kannst dich einpökeln lassen.
    RODRIGO
    Wir beide können uns einpökeln lassen! Zum Wohl, Gevatter Tod.
    SCHIGOLCH (anstoßend)
    Zum Wohl, Springfritze! Wenn es später noch besser kommt, dann bin ich jeden Augenblick zum Aufbruch bereit; aber … aber …
    Sechster Auftritt
    LULU. DIE VORIGEN . Später FERDINAND .
    LULU (von links, in eleganter Pariser Balltoilette, weit dekolletiert, mit Blumen vor der Brust und im Haar)
    Aber Kinder, Kinder, ich erwarte Besuch!
    SCHIGOLCH
    Aber das kann ich euch sagen, die müssen es sich da drüben was kosten lassen!
    HUGENBERG
    (hat sich erhoben).
    LULU (sich auf die Armlehne seines Sessels setzend)
    Sie sind in eine nette Gesellschaft geraten. Ich erwarte Besuch, Kinder.
    SCHIGOLCH
    Da muss ich mir wohl auch was vorstecken.
    (Sucht in dem Bukett, das auf dem Tische steht.)
    LULU
    Sehe ich gut aus?
    SCHIGOLCH
    Was sind das, was du da vorhast?
    LULU
    Orchideen. (Sich mit der Brust über Hugenberg neigend.)

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