Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
der Arzt erwähnt, dass es noch andere wie
ihn gab.
Die
Gesichtszüge des Blonden hellten sich auf. »Ja. Ja, ganz recht, ich bin ein
Freund von Hansen. Ich kenne ihn schon seit sehr vielen Jahren, musst du wissen.«
»Und
woher kennen Sie mich ?«
Ohne
meine Frage einer Antwort zu würdigen, legte er mir einen Arm um die Schulter.
Unvermittelt versteifte ich mich.
»Lass
uns ein Stück gehen, meine Liebe. Wir haben eine Menge zu bereden. Ich brenne
schon sehr lange darauf, mich mit dir zu unterhalten.«
Er
schob mich vorwärts, ohne auf meine schwache Gegenwehr zu achten.
»Und
was für ein Interesse hätte ich daran, mich mit Ihnen zu unterhalten?«, fragte
ich hart. »Ich kenne Sie nicht. Und ich traue Ihnen nicht. Sie sagen mir ja
nicht einmal Ihren Namen.«
»Namen
sind bedeutungslos«, erwiderte der andere lächelnd. »Hier entlang, Mädchen. Ich
verstehe dein Misstrauen. Du machst gerade eine schwere Zeit durch. Deine Welt
hat sich in den vergangenen Tagen verändert, und du witterst Bedrohungen hinter
jeder Ecke. Unglücklicherweise durchaus berechtigt, wie ich gestehen muss.«
»Woher
wissen Sie das alles?« Ich versteifte mich noch weiter, atmete flacher.
»Ach,
ich weiß so einiges. Vor allem weiß ich, dass du deine eigenen Entscheidungen
noch einmal sorgfältig überdenken solltest. Dieser Arzt und der Junge …« Er
lachte spöttisch.
»Du
hast dein Schicksal in ihre Hand gelegt, hast jedes ihrer Worte für bare Münze
genommen. Aber, Mädchen, was weißt du wirklich über deine Verbündeten? Hast du
sie nicht wiederholt dabei ertappt, wie sie dich mit Lügen abspeisen wollten?«
Mir
stockte der Atem. »Was wissen Sie über Kiro?«
»Ich
weiß nicht, wo dein junger Freund sich zurzeit aufhält, wenn es das ist, was du
wissen willst. Er hat dich wohl im Stich gelassen, nicht wahr? Hat seine eigene
Haut gerettet, nachdem er begriffen hat, wie brenzlig die Situation ist.«
»Das
glaube ich nicht«, widersprach ich im Brustton der Überzeugung.
»Du
bist äußerst gutgläubig, meine Liebe, eine bewundernswerte Eigenschaft. Aber
hat er dieses Vertrauen denn tatsächlich verdient? Wann immer du den Burschen
gebraucht hast, war er plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Er ist ein Feigling,
der den Schwanz einzieht, wenn die Lage ernst zu werden beginnt.«
»Was
wissen Sie schon?« Ich wich dem Blick des Fremden aus, der mich mit seinen
blauen Augen durchdringend musterte.
»Genug«,
erwiderte er. »In jedem Fall mehr als du. Was ist mit Hansen, hm? Denkst du, er
wäre jemals ehrlich zu dir gewesen? Hat er dir irgendwann reinen Wein eingeschenkt?«
»Er
hat uns mittlerweile alles erzählt, was er weiß«, gab ich vage zurück.
»Ach
ja, alles? Mittlerweile? Warum hat er nicht sofort die Wahrheit erzählt? Und
wie sollst du sicher sein, dass da nicht noch mehr ist, das er vor dir
verborgen hält? Einmal ein Lügner, immer ein Lügner. Versteh mich nicht falsch,
er meint es wohl nicht einmal böse, aber es steckt ihm in den Knochen. Das weiß
ich nur zu gut. Mädchen, es wird höchste Zeit, dass dich jemand auf den Boden
der Tatsachen zurückholt. Du kennst diesen Jungen nicht, und du kennst auch
diesen Arzt nicht. Ich hingegen bin seit vielen Jahren mit Hansen bekannt,
lange genug, um dir versichern zu können, dass er ein verlogener Schweinehund
ist. Ein gerissener Egozentriker, der sich einen Dreck um die Menschen um sich
herum schert und gerne bereit ist, sie zu opfern, wenn es seinen eigenen Plänen
dienlich ist.«
Ich
musste mir eingestehen, dass dies nur zu sehr nach Hansen klang. Nervös
schluckte ich, versuchte, mir meine Verunsicherung nicht allzu deutlich
anmerken zu lassen.
»Warum
sollte ich Ihnen glauben, einem Fremden, der mich auf offener Straße
angequatscht hat?«
»Was
unterscheidet mich von den anderen beiden Fremden, mit denen du die letzten
Wochen deines Lebens zugebracht hast?«, gab der andere zurück.
»Das
war etwas völlig anderes.«
»Ach
ja? Nenn mir einen Unterschied, nur einen einzigen.«
»Kiro
hat mich mehrmals gerettet …«
»Nachdem
er dich selbst in Gefahr gebracht hatte!«
»…
und Hansen hat mir Unterschlupf gewährt.«
»Er
hat dich in seinem Haus eingesperrt.«
»Eingesperrt?«,
wiederholte ich ungläubig lachend. »Er hat mich unterrichtet, mir Nahrung und
Kleidung gegeben …«
»Er
hat dich nur für seine eigenen Zwecke missbraucht«, fuhr der Blonde mir über
den Mund. »Laura, ich will dir nicht zu nahe treten, aber du bist
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