Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
je mehr Fläche es sich einverleibt hat. Am Ende wird
niemand entkommen«, schloss er düster.
Ich
starrte in sein blasshäutiges Gesicht, wusste nicht, was ich von dem Gehörten
halten sollte. »Dann wäre das die Apokalypse«, stellte ich schließlich fest.
»So
ist es.«
»Und
was können wir dagegen ausrichten?«
Seine
blassen Lippen verzogen sich zu seinem Lächeln. »Um dir dies zu sagen, habe ich
Kontakt mit dir aufgenommen.«
Der
unheilverheißende Schrei einer Krähe ließ mich überrascht zusammenzucken. Wie
mein Begleiter neben mir hob ich den Kopf und starrte in den von grauen
Gewitterwolken getrübten Himmel, wo ich den Vogel vermutete, doch alles, was
ich sehen konnte, war ein verschwommener Schemen, der für einen
Sekundenbruchteil am Rande meines Gesichtsfeldes aufblitzte und dann wieder verschwand.
Der
Mann neben mir erhob sich mit einem Seufzer, als wäre das Auftauchen der Krähe
ein Signal gewesen, dessen Bedeutung mir entgangen war.
»Es
wird Zeit«, sagte er. »Ich muss dich nun verlassen.«
»Warum?«,
platzte ich heraus.
Der
andere lächelte und deutete in den Himmel, der nicht nur von den Wolkenbergen verdunkelt
war. »Es wird spät, ich werde erwartet. Aber keine Sorge, Laura. Du kennst mich
nun, und du kennst die Wahrheit. Wir werden uns wiedersehen, und dann führen
wir dieses so dringend notwendige Gespräch fort. Das ist ein Versprechen.«
Und
damit wandte er sich ohne ein weiteres Wort zum Gehen. Ich machte Anstalten,
ihn zurückzurufen, ließ es dann jedoch bleiben und blieb stocksteif am
Straßenrand sitzen, dem seltsamen Fremden noch lange mit den Augen folgend, als
er in der Ferne immer kleiner wurde und schließlich verschwand.
Kapitel XII
Was für eine
merkwürdige Begegnung das gewesen war. Wer war dieser seltsame blonde Mann, der
so urplötzlich aufgetaucht und ebenso abrupt wieder verschwunden war? Konnte
ich dem, was er gesagt hatte, tatsächlich Glauben schenken, oder verbarg sich
hinter seinen Worten irgendeine hinterhältige Absicht, die ich im Augenblick
noch nicht erfassen konnte?
Zumindest
in einem hatte er recht: Es gab keinen Grund für mich, seinen Worten mehr oder
weniger Glauben zu schenken als denen Kiros oder Hansens. Seit ich in diese
Sache hineingezogen worden war, war ich von der Hilfe Fremder abhängig. Wer
sagte mir, dass ich von Anfang an an die richtigen Fremden geraten war?
Ich
seufzte und vergrub das Gesicht in den Händen. Unvermittelt fand ich mich in
derselben Haltung wieder, in welcher der Mann mich gefunden hatte: am blanken
Asphalt sitzend, meinen Kopf mit den Händen umklammernd.
»Wie
nur konnte ich in diese grauenhafte Geschichte hineingeraten, die mit jedem Tag
verworrener und irrwitziger wird?«, fragte ich mich selbst. Meine Stimme drang
gedämpft zwischen meinen Fingern hervor. »Ich wünschte, ich wäre niemals auf
diesen verfluchten Ball gegangen.«
»Laura!«
Ich
hob träge den Blick und sah, wie eine schmächtige Gestalt auf mich zugeeilt
kam. Ein merkwürdiges Déjà-vu-Gefühl machte sich in mir breit, und mein Magen
verkrampft sich ein wenig, als ich den herannahenden Kiro erkannte – den echten
diesmal. Ich war nicht einmal wirklich überrascht, ihn zu sehen. Allmählich begann
ich, mich an den schwarzen Humor des Schicksals zu gewöhnen. Seine ach so
großen Geheimnisse begannen, mich zu langweilen.
»Was
tust du denn hier?«, keuchte Kiro atemlos, noch bevor er mich ganz erreicht
hatte. Der dunkle, schäbig wirkende Regenmantel, den er sich übergeworfen
hatte, hing schief auf seinen Schultern, und sein langes Haar klebte
schweißnass an seiner Stirn. Zumindest hatte er die verstrichene Zeit nicht mit
einem entspannenden Spaziergang im Park verbracht.
»Diese
Frage wollte ich dir gerade stellen«, erwiderte ich scharf.
»Was
fällt dir überhaupt ein, einfach so ohne ein Wort zu verschwinden? Hast du
komplett den Verstand verloren? Weißt du eigentlich, was dir alles hätte passieren können, du schrecklicher Egoist?«
Kiro
kam erschöpft zum Stehen und strich sich fahrig die wirren Haarsträhnen aus dem
Gesicht. Zuerst wirkte er bloß betroffen, auf dieselbe, verletzte Art und
Weise, mit der er innerhalb der vergangenen Wochen stets auf meine Nähe
reagiert hatte, doch dann runzelte er überrascht die Stirn. »Du … du hast mich
gesucht?«, fragte er verblüfft.
»Unsinn,
mir war nach ein wenig frischer Luft zumute, und da kam mir dieser gastliche,
naturbelassene Ort in den Sinn – natürlich
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