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Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Titel: Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Vogltanz
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jedem Fall beunruhigten mich die wie tot daliegenden Häuser,
die, bewegungslos in ihrer Leichenstarre, an den rissigen Asphaltstraßen
kauerten. Anfangs begriff ich nicht, warum mich jene dunkel daliegenden Villen
mit einer solchen Unruhe erfüllten. Erst, als ich vorsichtig mit meinen
geistigen Fühlern durch die Gassen tastete, dämmerte es mir: Derselbe,
zerstörerische Odem, den ich bereits zwischen den Ruinen meiner alten Schule
gewittert hatte, hauchte auch hier durch die Straßen. Er schien jedoch weit
schwächer, wie der Verwesungsgestank eines Tieres, das bereits so lange tot
war, dass alle organischen Bestandteile seines Leibes vom Zahn der Zeit
zersetzt worden waren. Was übrig blieb, war ein muffiger, unangenehmer Geruch,
der zwar eine dumpfe Unruhe in mir wachrief, aber nicht ausreichte, um die
Alarmglocken in meinem Kopf losschrillen zu lassen.
    Nachdem
wir eine ganze Weile schweigend durch das verlassene Viertel gewandert waren,
verlangsamte Andreas seinen Schritt schließlich. Zielstrebig bewegte er sich
auf eine der leer stehenden Villen zu, derer es in diesem Viertel zahlreiche
gab, und ließ das geschmiedete Eisentor aufschwingen, das niemand vor seiner
Abreise verschlossen hatte. Nur widerwillig folgte ich meinem Führer in den
überwucherten Garten, in dem das Gras bereits so hoch wuchs, dass es mir
beinahe an die Hüften reichte.
    Obwohl
ich wusste, dass ich damit ein Sakrileg beging, brach ich das Schweigen: »Wer
lebt hier?«
    Weder
sah Andreas mich an noch wandte er sich nach mir um. »Nichts lebt in der
MONDSCHEINGASSE. Schon seit Jahrzehnten nicht mehr.«
    Die
MONDSCHEINGASSE. Als ich den Kopf hob, entdeckte ich ein verwittertes Schild
mit dieser Aufschrift an der Fassade des Hauses, auf das Andreas zuhielt. Die
Buchstaben waren in Kurrent geschrieben, und es war offensichtlich, dass man
diese ursprüngliche Beschilderung nicht aus nostalgischen Gründen beibehalten
hatte.
    Auch
die Eingangstür der Villa, die Andreas trotz der sichtraubenden Botanik
augenblicklich gefunden hatte, war unversperrt.
    Mit
einiger Verzögerung betrat ich hinter Andreas das ehrfurchtgebietende Gebäude,
das Alter und Verfall ausatmete. Wir fanden uns in einem großzügigen Vorraum
mit holzvertäfelten Wänden wieder; der Boden war mit einem wohl einstmals
roten, aber nun farblosen Teppich bedeckt, der jedes Geräusch meiner Schritte
in sich aufsog. Durch die zerbrochenen Fenster hatten sich Unrat und halb
verwittertes Laub im Flur angesammelt, das mittlerweile wie der Rest des Hauses
von Staub überzogen war, ganz so, als hätte das Gebäude sich diese Fremdkörper
einverleibt. Ich bemerkte, dass selbst die Spuren, mit denen Mutter Natur diesen
von Menschen verlassenen Ort gezeichnet hatte, eigenartig waren: kein Pflänzchen,
nicht einmal Unkraut wuchsen hier, und auch Anzeichen für die Anwesenheit von
Tieren fehlten, obgleich die ehemals prunkvolle Villa sich geradezu perfekt als
Unterschlupf für eine Waschbären- oder Fuchsfamilie anbot. Selbst Insekten
hatten es nicht gewagt, eines ihrer sechs Beinchen auf den von Staub satten Teppich
zu setzen. Nun begriff ich, was Andreas zuvor damit gemeint hatte, als er
sagte, hier lebte nichts .
    Etwas
Derartiges hatte ich noch nie gesehen, und ich stellte mir vor, dass es so nach
einem atomaren Unfall aussehen musste.
    »Werden
Sie mir sagen, was hier geschehen ist?«, richtete ich das Wort an Andreas.
    Dieser
hatte mich mittlerweile in einen großzügigen Saal geführt, in dessen Mitte ein wuchtiger
Tisch aus Ebenholz mit einigen Stühlen stand, deren Lehnen kunstvoll geschnitzt
waren. Noch immer lag ein zierliches Tuch auf der Tischplatte, das wohl einmal
weiß gewesen war, nun aber das alles verschlingende Grau dieses bedrückenden
Ortes in sich aufgesogen hatte.
    »Eines
Tages wirst du es wissen«, gab Andreas kryptisch zurück.
    »Warum
sind wir hier?« Ich konnte meine Unruhe nicht länger verbergen.
    »Deswegen.«
    Andreas
war vor einer Wand mit zahlreichen Bücherregalen stehen geblieben. Die Bücher
darin hatten ebenso Staub angesetzt wie alles hier, trotzdem konnte ich noch
immer die Farbe der alten Ledereinbände hindurchschimmern sehen. Entweder, die
Bücher befanden sich noch nicht so lange wie die restlichen
Einrichtungsgegenstände in dieser Villa, oder aber sie waren von irgendjemandem
benutzt worden, nachdem hier alles Übrige dem Vergessen anheimgefallen war.
    Ich
zögerte, an Andreas´ Seite zu treten. Das alles war mir suspekt, und etwas in
mir

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