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Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Titel: Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Vogltanz
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reglosen Frau vorbei ans Gitter. Seine Knie zitterten
deutlich, und in seinem Blick lag eine so unbeschreibliche Furcht, dass ich sie
geradezu körperlich spüren konnte. Scheinbar wusste der Fremde mehr über das
Kommende als ich.
    Mit
einem zuckersüßen Lächeln auf den Lippen wandte Andreas sich wieder an mich.
»Eine Sache, Laura«, sagte er. »Eine einzige Sache, die ich dir voraus habe.
Weißt du, wovon ich spreche?«
    »Ich
werde das nicht tun«, flüsterte ich. Ich hatte mit lauter, fester Stimme
sprechen wollen, aber das Grauen dieser Situation schnitt mir die Luft ab. »Du kannst
mich nicht zwingen.«
    Seine
Miene verdüsterte sich. »Und ob ich das kann.«
    Noch
bevor ich in irgendeiner Weise reagieren konnte, machte Andreas einen Schritt
auf das Käfiggitter zu und vollführte eine komplizierte Handbewegung, woraufhin
eine bislang verborgene Tür, von der ich fast sicher war, dass sie vor einer
halben Minute noch nicht da gewesen war, mit einem erbärmlichen Quietschen nach
außen schwang. Mit einer Hand packte er den unglückseligen Magier an der
Schulter und zerrte ihn grob aus seiner Zelle, während er mit dem freien Arm
das Gitter wieder zustieß. Seine Augen glühten in einem geradezu animalischen
Feuer, das etwas in mir berührte und an die Oberfläche zerren wollte, und
obwohl ich mich nach Kräften dagegen wehrte, spürte ich doch, dass es mir nicht
gelingen würde.
    »Nimm
ihn!«, schrie Er mit überschnappender Stimme und stieß den Gefangenen in
meine Richtung. »Ich weiß, dass du es willst, und du weißt es auch! Also nimm
ihn an und labe dich an seiner Macht!«
    Ich
konnte mich nicht wehren. Ich wollte schreien, meinem Schrecken Luft
verschaffen, herumfahren und fliehen, vor Andreas, vor seinem Irrsinn, vor
allem vor mir selbst, doch nichts davon gelang mir. Dafür war es bereits zu
spät. Die unersättliche Gier in mir entlud sich in einer einzigen, gewaltigen
Explosion, und das unerbittliche Wesen in mir, das ich bisher mühsam unter
Kontrolle gehalten hatte, sprengte mit einem Ruck meine geistigen Fesseln und
stürzte sich auf das Geschenk, das Andreas ihm gemacht hatte.
    Im
ersten Moment spürte ich nichts. Die ganze Welt um mich herum schien
ausgelöscht, es gab nur noch mich und meine Gier, diesen unstillbaren Durst
nach Macht, von dem ich nicht wusste, woher er kam oder wie ich ihn besänftigen
konnte. Und dann nahmen meine geschärften Sinne noch eine zweite Energiequelle
wahr. Sie war schwach und strahlte deutlich Angst aus, die ich mit einer
morbiden Heiterkeit registrierte, Angst vor mir . Wie ein ausgetrockneter
Schwamm das Wasser nahm ich die fremde Furcht in mich auf, genoss das Leiden
meines Opfers und sonnte mich in dem Respekt, der keiner war, sondern nur
blanke Todesangst. In meinem Kopf war nur noch Platz für ein einziges Wort, das
zwischen meinen Schläfen in düsterem Rot pulsierte: Beute .
    Wie
ein ausgehungertes Raubtier stürzte ich mich auf die dargebotene Energie und
riss sie mit einem gewaltsamen Ruck aus ihrem Besitzer, um sie der meinen
hinzuzufügen. Für einen Sekundenbruchteil war er ich und ich er, wir beide eine
einzige Seele, aufgeteilt auf zwei Körper. Doch zwei waren einer zu viel. Mit
einem zweiten, noch härteren Ruck zerrte ich die Seele des anderen völlig auf
meine Seite, und die zwei unvollständigen Teile verschmolzen zu einem großen
Ganzen.
    Dann
war es vorbei, so abrupt, wie es mich überfallen hatte. Der gesamte Vorgang
hatte kaum eine volle Sekunde gedauert. Ich wurde mir meines Körpers und meiner
Umgebung genau rechtzeitig bewusst, um zu sehen, wie der Gefangene vor meinen
Augen tot zusammenbrach.
    Ich hatte ihn getötet. Ich hatte ihn, diesen
fremden, unschuldigen Menschen, kaltblütig umgebracht, auf eine Art, die ich
nicht einmal meinem schlimmsten Feind gönnte.
    Aus
schreckensgeweiteten Augen starrte ich auf den Toten herab, der sein Leben für
meine Unbeherrschtheit hatte geben müssen. Doch das, was mich über die Maßen
entsetzte, war nicht einmal, dass es passiert war. Ich hätte noch immer
behaupten können, es wäre Andreas´ Einfluss gewesen, der mich dazu gebracht
hatte, Dinge zu tun, die mir tief in meinem Inneren widerstrebten, dass auch
ich nichts weiter war als eines seiner zahllosen Opfer und ebenso unschuldig
wie seine Gefangenen.
    Aber
dem war nicht so, ganz und gar nicht. Es war nicht Andreas gewesen – sondern
ich, oder zumindest etwas in mir. Und was das Entsetzlichste war: Ich
hatte es genossen , jede einzelne

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