Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins
nicht gerne gesehen wurde. Aber wehe, die zeigten das. »Schluss jetzt, Burli! Was bist du für ein böser Junge!« Augenaufschlag von Luna. Wedel, wedel. Sieg auf ganzer Linie.
In fast zwölf Jahren ging diese Strategie bis auf eine doppelte Ausnahme auf. Im Abstand von einem Jahr spazierte ich durch den Münchner Westpark, und dort wurde Luna zweimal vom selben Hund namens Luna gebissen, der sich, wie sein Herrchen, durch ihr Quietschen provoziert fühlte. »Ein charakterfester Hund stellt sich im Kampf und jammert nicht rum. Da geht einem doch das Messer in der Hose auf«, bellte er mich an.
Zum Glück passierte nichts, was einen Tierarztbesuch nötig gemacht hätte. Den Westpark meide ich seither.
Spät kam mir der Gedanke, dass Lunas Verhalten etwas mit meiner strengen Erziehung am Anfang zu tun haben könnte. Ich bestärkte sie nicht, wenn sie sich durchsetzte, sondern zeigte ihr, dass das falsch war. Andererseits weiß ich nicht, ob Dominanz gegenüber dem Chef in derselben Hirnregion beheimatet ist wie Dominanz gegenüber Artgenossen.
Johannes fand es manchmal peinlich, wenn er mit Luna Gassi ging und sie sich vor einem Dackel unterwarf. Ich fand das auch übertrieben, aber im Großen und Ganzen mischte ich mich da nicht ein. Sie wusste bestimmt besser, was sie tat, und es ging ja um ihr Fell, nicht um meines. Frau Bärmanns Achtung gewann Luna mit ihrer klugen Strategie jedenfalls nicht, obwohl sie in sämtlichen Kursen der mutigste Hund war, wenn es darum ging, über einen Schwebebalken zu balancieren, durch dunkle Röhren, die sich wie Gedärm auf dem Hundeplatz ringelten, zu rasen, über Wände und durch einen Feuerreifen zu springen. Die üblichen Angstmacher, ob weiße Böden, Regenschirme, Plastiktüten oder Gitterroste, ließen sie kalt. Und wenn sie doch einmal zögerte und ich sie aufforderte, etwas trotzdem zu tun, dann machte sie das. Manchmal mit einem lauten Jaulen, weil sie so sehr mit sich kämpfen musste. Aber sie machte es. So wie sie mir ohne Leine in die Tierarztpraxis folgte. Obwohl sie da auf keinen Fall reinwollte. So wie sie mir einmal von einem hohen Podest aus in die Arme sprang, als ich »Hopp!« rief. Ihr grenzenloses Vertrauen rührte mich zu Tränen. So wäre sie auch mit mir zum Einschläfern gegangen. Treu bis in den Tod.
Frau Bärmann konnte sehr gut mit Hunden und überhaupt nicht mit Menschen umgehen. An den Hunden hängen nun aber mal Menschen dran. Die bei Frau Bärmann rüde behandelt wurden. Sie hatte allein Verständnis für die Hunde und deren Verhalten, am liebsten Problemhunde. Da war kein Platz für Luna, die am liebsten Lösungen suchte. Luna war von Anfang an der langweiligste Hund der Welt. Kein Fall für die Hundehalterhaftpflicht, keine Beißerei, keine Buddelei, in den ersten sechs Wochen bellte sie nicht mal, sodass ich glaubte, sie wäre stumm. Als eines Tages ein sattes Wuff er tönte, fiel ich vor Schreck fast die Treppe runter. Kein Wunder, dass uns in der Hundeschule niemand mochte. Kein Wunder aber auch, woran das lag. Bei Luna zogen die Chefs an einem Strang. Johannes war ebenso konsequent wie ich, was das Befolgen von Befehlen betraf. Viele von Lunas Mitschülern hatten jedoch mehrere Chefs, darunter kleine Kinder. Da war es schier unmöglich, die nötige Konsequenz aufzubringen, und Hunde sind ja nicht blöd. Die tricksen dich aus, schneller, als du schauen kannst.
Manchmal war es auch für mich schwierig, konsequent zu sein – wenn sich andere einmischten. »Ach, lassen Sie den Hund doch, das macht doch nichts, nein, wissen Sie, ich mag Hunde, das darf er gerne.« Nein, Luna durfte fremden Menschen nicht einfach so aus purer Begeisterung über das Gesicht schlecken. Die meisten Menschen finden das eklig. Auch nicht Beine abschlecken, am liebsten mit Nivea-Körperlotion eingeschmierte und ein bisschen Stoppeln dran, das kitzelt so schön auf der Zunge.
Doch natürlich hat auch der beste Hund der Welt einen schweren Fehler. Er kommt immer noch vor, wenn auch selten. Sie wälzt sich liebend gern in Aas. Letzteres findet sich beim Gassi in der Natur öfter.
Als Luna aus der Tierklinik kam, roch sie nicht wie immer, sondern chemisch, das lag wahrscheinlich an den vielen Medikamenten, die sie erhalten hatte. Nun rieche ich manchmal an ihrem Fell. Und wenn es richtig schön nach Luna duftet, also nach Hund, der gerne täglich im See badet –, andere würden das womöglich stinken nennen –, nehme ich einen tiefen Atemzug und bin glücklich. Denn
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