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Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins

Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins

Titel: Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Seul
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staubgesaugt, und ich durfte den Stecker aus der Dose ziehen und auf den Knopf drücken, damit die Schlange in den Korpus zischte. Ich zog den Stecker raus. Schaute ihn an wie ein Studienobjekt. Vielleicht schlug die Kirchturmuhr, die wir bei offenen Fenstern hören konnten? Vielleicht gab es aber auch keinen Anlass. Ich weiß nicht, warum mir in diesem Moment bewusst wurde, dass dieser Moment nun für alle Zeiten und unwiederbringlich verloren war. Es war ein Schmerz, der mir ins Herz fuhr wie ein Strom schlag. Ich steckte den Stecker erneut in die Dose und vollführte die Bewegungen in der Konzentration einer heiligen Handlung. Ich wollte es genauso machen wie beim ersten Mal. Doch obwohl ich es genauso machte, wusste ich mit einer überwältigenden Gewissheit, dass es mir nicht gelingen konnte, weil der Moment ein neuer war. Es wäre eine Wiederholung, und jede Wiederholung, die ich nun trotzdem versuchte, machte mich trauriger, fast verzweifelt.
    Bis mich der Ruf meiner Mutter unterbrach: »Michaela!«
    Kinder und Steckdose, Gefahr! Ich hätte ihr gerne mitgeteilt, dass ich eine Gefahr erkannt hatte, die viel größer war als diejenige, die von der bösen Steckdose ausging, doch ich konnte das Große, das mir begegnet war, nicht benennen, es war mehr eine Ahnung, ein Gefühl, ich hatte keine Worte für die … Vergänglichkeit, den Schmerz des Lebens. Geht es nicht überhaupt darum, dem Leben seine Vergänglichkeit zu entreißen mit Liebe, Kunst, Kindern, Häuserbauen?
    Ein Stück weiter vorne panierte Luna sich im Sand, schüttelte sich, Dreck spritzte in alle Richtungen. »Luna! Hier!«
    Ich klatschte ich in die Hände und breitete die Arme aus, und sie beschleunigte ihr Tempo, sprang in langen, kraftvollen Sätzen auf mich zu, flog förmlich. Ihre Lebensfreude sprengte meine Melancholie.
    An diesem Abend berichtete ich Johannes am Telefon: »Ich hatte keine Gelegenheit, traurig zu sein, Luna hat dauernd Quatsch gemacht.«

Der Eimertest
    B ei Frau Bärmann in der Hundeschule war Luna nun der einzige Hund, der locker an der durchhängenden Leine lief. Was Frau Bärmann nicht freute, sondern in ihren Vor urteilen bestätigte: ein Labbi halt. Dabei war die braune Luna auch ein Labbi und extrem stur, die konnte noch nicht mal Sitz. In meiner Abwesenheit war es zu einigen Vorfällen gekommen, wie mir Dagmar, Frauchen von Blacky, erzählte. Der Freund des Berner-Sennen-Schäferhund-Mix-Fraulis sei wutentbrannt auf den Hundeplatz gestürmt und habe Frau Bärmann bezichtigt, die Essstörung seiner Freundin zu verschlimmern. Sie würde immer dünner, der Hund immer dicker. Frau Bärmann, die Menschen nicht ausstehen konnte, ja in letzter Zeit den Eindruck vermittelte, sie beginne, uns zu hassen, hatte ihn abserviert: »Das kommt oft vor. Was Magersüchtige sich nicht gönnen, kriegt der Hund, der wird vollgestopft, sprechen Sie mit einem Psychiater.«
    Wie viele Menschen, die auf Therapiebedürftige herabsehen oder sich über sie lustig machen, verwechselte sie Psychiater mit Psychologen. Es gehört zum Krankheitsbild, dass sie sich selbst für eine hervorragende Psychologin hielt und so fort wusste, dass die Hundeallergie des Border-Collie-Fraulis in Wirklichkeit Faulheit war. »Die ist völlig überfordert mit dem Hund. Jetzt ist er im Tierheim.« Provozierend überkreuzte sie die Arme vor der Brust und schaute in die Runde. Hätte das Border-Collie-Frauli auf sie gehört, hätte sich das Border-Collie-Frauli keinen Border Collie, sondern einen Schoßhund zugelegt oder ihren Hund so erzogen, wie Frau Bärmann es predigte. Aber jetzt war es zu spät.
    Erschrocken schaute ich zu Luna. Mein Vater leidet an einer Tierhaarallergie. War ich gefährdet oder gefeit, weil ich bereits seine Nase und Ohren geerbt hatte? Wenn mein Vater Luna streichelt, schwellen seine Augen zu und tränen. Ein mal kam mir der Gedanke, ob er um seinen Freund Jupp weint, den die Nachbarn gegessen haben.
    Die Vorstellung, Luna weggeben zu müssen, erschütterte mich. Das Border-Collie-Frauli, dessen Namen ich nicht wusste, nur den des Hundes, Hexe, tat mir sehr leid. Ich finde es geradezu grausam, wenn man Menschen, die akut an etwas leiden, die Verantwortung zuschiebt. Seitdem der solide Glaube an den lieben Gott von Allmachtsfantasien mancher selbsternannten Erleuchteten verstrahlt ist, glauben viele zu wissen, dass jede Krankheit selbst gemacht sei. Ich werde mich hüten, eine an Krebs erkrankte Freundin damit zu belästigen, dass sie doch mal

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