Luna, Seelengefährtin - mein Hund, das Leben und der Sinn des Seins
beim Tanken den Vordersitz abschrauben, und da liegt ja Luna.«
So beginnt unser Urlaub mit einem Leihwagen. Ob uns der Sprit, die Kohle, ob Luna die Puste ausgehen wird? Jetzt sind wir erst mal da! Ich bin so froh, dass ich an das Wunder ihrer Genesung geglaubt, sie nicht frühzeitig verloren gegeben habe in der besten Absicht, ihr Leiden zu ersparen. Seit dem Schlangenbiss ist meine Verbindung zu Luna noch intensiver. Ich bin aufmerksamer und achtsamer geworden, und ich schreibe ein Buch, für das ich keine Zeit habe, dieses Buch, das als Rettungsanker begann und mittlerweile zu meiner liebsten Beschäftigung geworden ist, obwohl ich mich im Urlaub vom Schreiben erholen wollte. Dabei weiß ich doch, vom Schreiben muss ich mich nie erholen, Schrei ben ist Erholung. In meinem Beruf finde ich lediglich das Drumherum manchmal anstrengend. Recherche, Korrekturphasen, Marketing, Meetings, Reisen. Das Schreiben selbst ist pures Glück, vor allem, wenn ich so schreibe wie früher, ohne Vertrag, allein meinen inneren Stimmen fol gend. Schreiben wie Streunen. Schreiben wie Staunen, und alles wie zum ersten Mal betrachten. Schreiben wie Atmen.
»Luna«, sage ich zu ihr, »ich schreibe ein Buch über dich«, und werde ignoriert, denn in dem Satz kommt kein Wort vor, das Luna glücklich macht. Mich macht dieser Satz wahnsinnig glücklich, und er hilft mir, die Große zu bleiben. Ich schreibe mit meinem Herzblut, wie man früher sagte, und werde dennoch nicht anämisch, denn wenn ich in die Tiefe steige und tiefer, finde ich jene Quellen, die unaufhörlich sprudeln.
Johannes sieht das alles pragmatisch: »Die Luna ist unser Hobby. Andere verbringen ihre Zeit mit Sammeleien. Oder sie geben Geld für Tauchen, Jagen, Modelleisenbahnen oder Komasaufen aus.«
»Da kommen wir ja noch vergleichsweise günstig weg«, schmunzle ich.
»Und umweltfreundlich ist Luna obendrein«, fügt Johan nes hinzu.
Der Traum mit Luna und dem Leihwagen wirkt den ganzen Tag nach, ich bin heute ein wenig empfindlich. Warum nur ist es manchmal anstrengender, an das Schöne zu denken, das ist, statt sich hinabreißen zu lassen in Befürchtungen, was sein könnte? Ich will die schwarze Wolke wegschieben. Aber es klappt nicht. Ich schaue Luna an, und mein Herz wird schwer. Da erschrecke ich, denn das darf nicht sein, ich will ihren Anblick nicht mit Kummer verbinden, sondern mit Freude. Sie ist dem Tod von der Schippe gesprungen, und wir haben keinen Spaten dabei.
Johannes’ gute Laune reißt mich schließlich mit. Die Wipfel der Bäume biegen sich im Sturm, Surfer lieben das. Ich gehe mit Luna an der Küste spazieren. Sobald Johannes’ blaues Segel in unserer Nähe auftaucht, beobachtet sie ihn. Sie ist auf Surfer konditioniert. Manchmal läuft sie zu einem Fremden im Neoprenanzug, obwohl Johannes neben ihr steht. Sie begrüßt auch unbekannte Motorradfahrer, entlarvenderweise sogar, wenn ich ohne Montur und Helm mit ihr laufe, und erkennt den Klang einer alten BMW , wie ich sie fahre. Den hat sie wohl unter Chefin kommt abgespeichert. Dass die Chefin bereits da ist, neben ihr auf dem Trottoir steht, vergisst sie kurzzeitig vor lauter Begeisterung.
Johannes sagt: »Vielleicht ist es ganz anders. Vielleicht findet sie den Sound toll. Und außerdem ist das ein Boxermotor, der strahlt angenehme Wärme ab.«
»Vielleicht war sie auch mal Boxchampion«, grinse ich.
Was wissen wir schon?
Nach einem langen Gassi lasse ich mich in einer windgeschützten Bucht nieder. Ein Paar mit Hund gesellt sich zu uns, der Hund ist sandfarben und dick, ein bisschen größer als Luna und heißt Seppi; das Paar ist in meinem Alter, und wir nicken uns zu. Hundebesitzer balancieren oft am Rand der Legalität, an vielen Orten sind Hunde verboten, man solidarisiert sich. Luna ist eifrig damit beschäftigt, einen dicken Ast zu zerkauen. Seppi will mit ihr spielen. Ich will lesen, muss aber hören:
Seppi, das Mädchen will nichts von dir.
Seppi, wenn du nicht brav bist, gehen wir wieder.
Seppi, hör auf damit. Geh lieber schwimmen.
Seppi, jetzt sei ein braver Junge und leg dich doch mal hin.
Seppi, wir sind doch im Urlaub, damit wir ausruhen.
Seppi, magst du nicht mal ein bisschen alleine spielen?
Seppi, wenn du jetzt nicht brav bist, bekommst du heute Abend keine Wurst.
Ich kann mich nicht auf mein Buch konzentrieren, sondern kommentiere die Sätze des Paares. Wenn Seppi das alles verstehen würde, denke ich, wäre er eine Intelligenzbestie. Was mich zuerst
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