Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod
Crêpekleid getragen, ihr Blumenstrauß war ganz in Blau, und sie hatte mehrere Kilo abgenommen, hatte sie sich abgekämpft, obwohl sie bereits vorher schlank war, aber eine Braut sollte schlank wie ein Stundenglas um die Taille sein. Das war ihr Tag, der größte von allen, und alle Jahre wollten sie miteinander teilen, Tisch und Bett und alle Freuden, aber sie hatte nicht gewusst, dass so viel Bitterkeit und so viele Sorgen dazu gehören würden. Alles war noch Zukunft, Hoffnung und Möglichkeiten, der Gedanke an ein gemeinsames Leben würde sie reifen lassen. Noch war nichts zerstört.
Die meisten lassen sich scheiden, man kann nie wissen, es bleibt ein russisches Roulett. Man braucht Glück und ein schönes Gedicht auf seiner Seite, dachte Lena, holte einige Lyrikbände hervor und gab sie der gut duftenden jungen Frau, die darin blätterte und laut vorlas, und die Worte waren wie Musik, und Lena wäre am liebsten weggelaufen.
Johan und sie waren jetzt geschieden. Sie lebten in verschiedenen Welten.
Aber daran sollte sie nicht denken, und eigentlich war die Trennung auch nur rein physisch, denn sie gehörten stärker als je zuvor zusammen. Sie lehnte sich immer noch an seine Schulter.
Doktor Björk war freundlich, aber deutlich gewesen. Er wollte, dass sie zu ihm komme, sagte er. Sie brauche sich keine Sorgen zu machen und keine Angst vor den Untersuchungen zu haben, sie könnten gern alles noch einmal durchsprechen, damit sie sich wieder ins Krankenhaus traute.
Jetzt saß sie im Wartezimmer und blätterte in Zeitschriften, während zwei Wespen an der Fensterscheibe summten. Es war ein Wespensommer, heiß und feucht. Sie ließ die Wespen gewähren, es war nicht ihre Sache, sich um sie zu kümmern, und falls jemand gestochen wurde, dann war die Person jedenfalls gleich an der richtigen Stelle.
Eine junge Mutter kam herein, setzte sich mit einem dicken, unförmigen, verschnupften Jungen hin. Sie warf ihm ein Kinderbuch hin, das auf dem Tisch lag, ein Buch wirklich für kleine Kinder, ein Bilderbuch, und er schlug es erst gar nicht auf, sondern starrte stattdessen Lena an. Wenn das Lenas Kind gewesen wäre, dann hätte sie ihm gesagt, dass man einen fremden Menschen nicht so aufreizend und lange ansehen darf. Er war schlecht erzogen, aber die Mutter kümmerte sich gar nicht darum, sie war versunken in eines der Klatschblätter, in einen Artikel über Prinzessin Victoria und ihre Freunde.
Lasst doch Victoria in Ruhe, dachte Lena, damit sie nicht noch aus purem Stress den falschen Kerl nimmt, den sie später nicht mehr ertragen kann, aber mit dem sie dann eine glückliche Ehe vorspielen muss, denn man kann sich wohl kaum scheiden lassen, wenn man zum Königshaus gehört. Wahrscheinlich hat man da auch keine Freundin, die bei der Hochzeit einfach ein Gedicht liest. Vieles geht dann nicht.
Nur Lena kann tun und lassen, was sie will, dachte sie sich. Sie hat die totale Freiheit. Nur dass sie nicht wegziehen kann. Das würde verdächtig erscheinen, aber wen interessiert das schon?
Eigentlich niemanden. Nicht ein Einziger hatte mit ihr über Lauras Tod gesprochen, auch nicht bei dem üblichen Geplauder in der Mittagspause. Die Stadt stand still, die Arbeitsplätze wurden von der Hitze niedergedrückt, nicht einmal für einen Mord interessierte man sich so richtig. Zwei Hilfskräfte in der Bibliothek erzählten zwar, dass die Gewalt immer weiter zunahm, jetzt schon zwei nicht aufgeklärte Morde in einem halben Jahr, aber das war im Großen und Ganzen auch alles. Doch, Sara hatte noch einen Polizisten getroffen, der sie nach einem Auto gefragt hatte, einem großen roten Auto, das vor Lauras Haus gestanden hatte, und ihr Herz raste, von der Spannung angestachelt und von der Tatsache, dass Lena ganz genau wusste, um welchen Wagen es sich handelte, und damit nicht genug, sie wusste auch, wem er gehörte.
Die sind wirklich vollkommen auf der falschen Fährte, dachte sie, aber es wäre andererseits ja auch nicht verkehrt, wenn er jetzt unter Verdacht geriet. Schadenfreude ist doch immer noch die wahrste Freude.
»Bitte schön«, sagte die Sprechstundenhilfe ihr zugewandt, und Lena stand auf und folgte ihr.
Sie spürte, wie ihre Handflächen klebten, aber wer hat an so einem Tag keine klebrigen Hände, dachte sie, als sie Doktor Björks vorgestreckte Hand ergriff und ihn begrüßte.
»Na, da sehen wir uns endlich wieder«, sagte Björk freundlich. »Wie schön, dass Sie kommen konnten.«
Er schaute sie kurz an,
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