Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod
Angst. Lena hatte gemordet. Sara versuchte sich vorzustellen, wie das vor sich gegangen war, wie Lena mit der Pistole zielt und sich tatsächlich nicht scheut abzudrücken. Sie schießt. Sie zögert nicht, jemanden auszulöschen.
Hat sich Lena in einen grässlichen, widerlichen Menschen verwandelt, vor meinen Augen?, dachte Sara. Eine eiskalte, grinsende, hasserfüllte Rächerin.
Niemand hatte sie dazu gezwungen, sie musste aus eigenem Willen getötet haben. Die Lust zur Rache hatte überhand genommen, genau wie das Bedürfnis nach Genugtuung, und Sara konnte sie irgendwie verstehen, obwohl es merkwürdig war.
Rache ist süß!
jedenfalls eine Zeit lang.
Sie bekam ihre Gedanken nicht in den Griff, sie drifteten immer wieder in verschiedene Richtungen ab. Sie wollte nicht sofort zur Polizei gehen, zumindest nicht so spätabends, denn jetzt war da bestimmt niemand mehr, der sich dafür interessierte, was sie auf dem Herzen hatte. Bestimmt nur ein paar Wachleute, die glaubten, sie sei hysterisch, und die eher sie verdächtigen würden, und das war das Letzte, was sie sich wünschte. Ihr Fingerabdruck saß nun einmal dort, und sie hatte Angst, unschuldig verurteilt zu werden. So etwas liest man ja immer wieder.
Dieser nette Polizist, der sie nach dem roten Wagen gefragt hatte – seine Karte lag bei ihr zu Hause, sie meinte sogar zu wissen, wo genau. Er hatte sie danach noch einmal in der Stadt getroffen und gegrüßt. Hatte sich eine Weile mit ihr unterhalten, und sie hatte sich hinterher überlegt, dass er das wohl nicht nur getan hatte, weil er mehr über das rote Auto wissen wollte, das vor dem Haus der ermordeten Frau gestanden hatte. Der Frau, die Lena ermordet hatte.
Sich vorzustellen, dass Lena sich getraut hatte zu schießen, ein Leben zu vernichten, dass sie so viel Kraft hatte. Sie hasste so sehr. Vielleicht hätte Lena ihr ganzes Leben lang nur noch gehasst, wenn sie diese Frau nicht umgebracht hätte, aber jetzt hatte sie dafür gesorgt, dass ein Leben nichts mehr wert war. Das Dumme dabei war, dass Lena selbst vielleicht den höchsten Preis bezahlen musste. Dumme, verdrehte Lena, dachte Sara, die wusste, dass Lena sich für viel intelligenter hielt als Sara. Und Sara versuchte gar nicht, etwas an diesem Gefühl der Unterlegenheit zu ändern, weil das doch keinen Sinn hatte.
Sara konnte den blassen Polizisten anrufen und ihm sagen, was los war. Er sah ehrlich aus, und vielleicht würde er sie nicht verdächtigen, trotz der Fingerabdrücke auf der Pistole.
Aber erst einmal wollte sie über die Sache schlafen. Etwas Bedenkzeit war immer gut, damit sie keinen Fehler machte.
Lena war also nicht die, für die sie sie gehalten hatte, und ihr Magen krampfte sich zusammen, wenn sie daran dachte, wie Lena sie angeschmiert hatte. Sie hatte sich einer Mörderin anvertraut. Keinerlei Misstrauen, sie war immer nur freundlich und zurückhaltend gewesen und täglich in Lenas Wohnung gekommen, wo diese saß und ihre Pistole bewachte.
Wo hatte sie die her? Eine Pistole konnte man schließlich nicht überall kaufen, man brauchte einen Waffenschein und eine Menge anderer Unterlagen. Man musste sicher auch beweisen, dass man schießen konnte. Wie hatte Lena das gelernt, ohne von jemandem bemerkt zu werden?
Und warum zerstörte sie ihr eigenes Leben auf diese Art und Weise?
Wenn Sara jetzt nichts verriet, vielleicht fanden sie den Mörder dann nicht, und Lena würde davonkommen. Wenn sie selbst mucksmäuschenstill war. sich nicht verplapperte, konnte Lena vielleicht ohne Bestrafung weiterleben, und die Rache wäre wirklich süß und nicht bitter-süß. Aber dann wäre sie gezwungen, sich immer unter Kontrolle zu halten, niemals auch nur den geringsten Mucks zu sagen. Nicht einmal Lena gegenüber, denn dann würde es ihr vielleicht selbst schlecht ergehen. Man konnte dessen nicht sicher sein. Vielleicht war Lena in der Lage, noch einmal zu töten.
Ihr Mund fühlte sich wie Sandpapier an, als sie hin und her überlegte, alles drehte sich in ihrem Kopf, und sie wurde immer gestresster.
War Lena verrückt, war sie besessen? Sara hatte nie zuvor an so etwas gedacht, aber jetzt kamen ihr Zweifel. Vielleicht war sie wirklich verrückt, geisteskrank, hatte den Verstand verloren.
Als Sara endlich zu Hause angekommen war, überprüfte sie noch einmal, ob ihr auch niemand gefolgt war, bevor sie die Tür aufschloss und hineinschlüpfte. Sie drückte gegen die Tür, dass der Kinderwagen fast umkippte, und der arme Johan schrie
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