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Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod

Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod

Titel: Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Wahlberg
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ansprach.
    »Du sollst zu Gotte«, sagte Louise und schob die schwarze Tasche aus imitiertem Kroko die Schulter hoch.
    Unmerklich vermittelte sie, dass das Gespräch mit Gotte nicht nur Freundlichkeiten beinhalten würde.
    »Warum soll ich zu Gotte?«, fragte Erika deshalb hilflos und sah dabei so schuldbewusst aus wie ein Kind, wenn es auf einen Tadel wartet.
    »Keine Ahnung«, antwortete Louise, und Erika hatte den Verdacht, dass sie schwindelte. »Ich bin auch erst gerade eben gekommen«, brachte Louise als Entschuldigung an. »Du schaffst es noch zu ihm, bevor wir uns zusammensetzen. Peter ist noch nicht da.«
    Erika warf ihre Tasche auf den Schreibtisch und spürte eine leichte Übelkeit, sie hatte das Frühstück ausgelassen, es ärgerte sie, dass dieser Respekt vor Vorgesetzten als der gleiche unangenehme Druck wie in ihrer Kindheit immer noch in ihr saß. Vermutlich schüttelte man so was nie ab.
    Was habe ich denn gemacht?, überlegte sie, kam aber auf die Schnelle auf kein offensichtliches Versäumnis. Außerdem war Gotte kein hungriger Wolf, eher ein gutmütiger Bernhardiner, deshalb war es sicher nicht so schlimm. Aber wer weiß!
    Sie strich sich das Haar nach hinten, zog den Pullover über die schwarze Hose, dass ihr Bauchnabel nicht zu sehen war. Ein bisschen Mühe konnte sie sich schon geben, um einen guten Eindruck zu machen.
    Vorsichtig klopfte sie an die Tür, die nur angelehnt war, und er bat sie in seinem melodischen schonischen Akzent herein.
    Gotte saß hinter seinem Schreibtisch, er füllte den Stuhl aus, dass sein Fleisch zwischen Sitz und Armlehne herausquoll und man auf die Idee kommen konnte, dass er ihn beim Aufstehen mitnähme. Er deutete auf den Besucherstuhl ihm gegenüber, und sie setzte sich vorsichtig auf den Rand, mit sichtbarem Widerstand in ihrer gesamten Körperhaltung.
    Ist er etwa dünner geworden, dachte sie. Oder besser gesagt etwas weniger korpulent. Das herabhängende Kinn war doch etwas schlaffer, füllte den Hemdenkragen nicht mehr ganz aus, und war nicht auch sein Bauch etwas eingesunken, auch wenn sich immer noch eine runde Kugel unter dem Schlips wölbte? Er hielt einen Brieföffner zwischen den Fingern und drehte ihn hin und her, vor und zurück, und wieder rundherum, wie eine ritualisierte Beschwörung, dann räusperte er sich und schaute sie an.
    »Keine Sorge, es ist nichts Schlimmes«, begann er, worauf sie erst recht erstarrte. »Nun, zur Sache … hm … man hat mich gebeten, dich darüber zu informieren, dass Rickard Herrström den Mord an Anita Grevén gestanden hat.«
    Ihr Rücken sank zusammen. Genau, Anita Grevén, so hatte sie geheißen.
    »Sie, ich meine, deine Arbeitskollegen, wollten, dass du das etwas formeller erfährst. Bevor es über Gerüchte an dich herangetragen wird, und deshalb haben sie mich gebeten, diese Aufgabe zu übernehmen. Und … ja, nun ist es damit gesagt.«
    »Danke«, sagte sie und schaute aus dem Eckfenster, dem größten Vorteil dieses Arbeitszimmers. Draußen wogten die Blätter irgendeines Laubbaums, sie wusste nicht, von welcher Sorte. Vielleicht war es eine Ulme.
    Es hatte ihr die Sprache verschlagen, ihre Energie unterbrochen, auf jeden Fall wusste sie nicht, was sie sagen sollte. Vielleicht brauchte sie auch gar nichts zu sagen. Es schien, als wäre sie nicht länger in der Lage, diese innere Maschinerie anzuwerfen und Angst zu bekommen, empört, gekränkt und erneut wütend zu werden. Nicht noch einmal. Es gab Grenzen. Möglicherweise kam das Ganze irgendwann später als eine Art Bumerang zurück. In dem Fall musste sie eben dann damit fertig werden. Vielleicht aber auch nicht, die Psyche verhielt sich bereits wie eine Autobahn, auf der all der Dreck schnell wegtransportiert wurde. Man konnte nie so genau sagen, wie es laufen würde.
    Er spielte immer noch mit dem Brieföffner, drehte ihn rundherum.
    »Darf ich fragen, warum er gestanden hat?«, fragte sie schließlich.
    Die Frage brannte in ihr, sie wollte eine Antwort haben, eine Erklärung. Je mehr sie wusste, umso einfacher war es, weiterzumachen. Zumindest glaubte sie das. Sie wollte so viel wie möglich wissen, damit sie ihn dann anschließend aus ihrem Leben streichen konnte.
    »Er hat nicht so ohne weiteres gestanden«, sagte Gotte und schaute sie mit seinen wässrig blauen, kugelrunden Augen an, und sie dachte, dass sein leicht brummendes Schonisch und diese alten, freundlichen Augen frei von jeder Unruhe und Bedrohung waren. Er hatte ein weiches Herz, das wussten

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