Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod
Claesson war lockerer geworden, einfach freundlicher und nicht mehr so ehrgeizig, und dafür, dass er sich und die anderen nicht mehr so unter Druck setzte, waren sie alle sehr dankbar. Das Leben bestand plötzlich für ihn nicht mehr nur aus Ermittlungen und Untersuchungen. Auch Claesson vermied es inzwischen, Tag und Nacht nur zu arbeiten. Sie würden den nächsten Mord ermitteln, und den folgenden und den darauf folgenden. Das Verbrechen nahm nie ein Ende, deshalb hatte es keinen Sinn, die Gruppe aufzureiben, sie mussten noch viel länger durchhalten. Schlafen, essen und auch Urlaub war mit anderen Worten einfach notwendig. Das hatte Gotte immer gewusst, während Claesson früher eher streberhaft gewesen war, zu viel an eigenem Arbeitseinsatz gab und ebenso viel von den anderen erwartete. Nur ein Glück, dass das jetzt Vergangenheit war.
Als sie noch ungefähr einen Kilometer vor sich hatte, konnte sie nicht mehr an sich halten. Sie zog einen Delfin aus der Tüte und kaute ihn genüsslich. Leider verdarb er ihren Hunger, wie sie feststellte, als sie im Flur stand und den Duft von gegrilltem Hähnchen einsog. Janos kam heraus, sie zu begrüßen. Das Essen war fertig und er musste gleich los.
Verflucht, sie hatten einander doch versprochen, sich zu bessern.
Sara lief mit klopfendem Herz nach Hause. In ihrem Kopf überschlugen sich lauter Gedanken. Sie schob den Kinderwagen vor sich her, er stieß gegen den Bordstein, so dass Klein Johan in seinem Einsatz hin und her geworfen wurde. Er schrie aus vollem Hals, und dieses Schreien brachte Sara dazu, noch schneller durch den Ort zu jagen. Die normalerweise so sicheren Straßen erschienen ihr wie wildes Gelände, auf dem Werwölfe hinter jeder Ecke lauern konnten. Der schwarze Nachthimmel erschreckte sie, jeder Autoscheinwerfer, der ihr entgegenkam, ließ ihr Herz noch schneller pochen.
Sie fühlte sich gehetzt, aber so weit sie sehen konnte, wenn sie sich überhaupt traute, sich umzudrehen, verfolgte niemand sie.
Es war immer noch warm draußen, sie trug ihre Strickjacke offen, sie flatterte wie ein Segel hinter ihr her, und die nackten Füße rutschten in den Sandalen, sie knickte um und stieß mit den Füßen gegen Bürgersteigkanten und Pflastersteine, und der Schweiß lief ihr in Strömen den Rücken hinunter.
Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte sie eine Pistole in der Hand gehalten. Ohne daran zu denken, hatte sie ihre Fingerabdrücke darauf hinterlassen und sie anschließend mit zittrigen Händen zurückgelegt, während ihr Herz vor Schreck schrie.
Lena, wer bist du? Sie bekam ihre Gedanken nicht in den Griff. Lena, was hast du getan? Warum zerstörst du dein Leben?
Ihr fiel Lenas Reise Anfang des Sommers ein, um die sie so ein Geheimnis gemacht hatte. Sie hatte nach ihrer Rückkehr nicht sehr viel von Amsterdam erzählt, hatte auch keine Fotos gezeigt und nichts von den vielen Museen und gemütlichen Restaurants berichtet. Schon damals hatte Sara gedacht, dass das Lena doch gar nicht ähnlich sah. fetzt begriff sie, dass es einen Grund dafür gab. Sie war natürlich nie in Amsterdam gewesen.
In dieser Zeitung, die hinter dem Sofa gelegen und die Sara durch Zufall gefunden hatte, hatte Lena Tallinn eingekreist. War sie stattdessen dort gewesen?
Man soll seinem sechsten Sinn vertrauen, dachte sie. Diesem Sinn, der Intuition genannt wird. Es war etwas mit Lena passiert, manchmal war sie ganz abwesend, manchmal scharf im Ton, und dann dieser Quatsch, dass sie nicht rausgehen wollte. Sie wollte nur bei sich zu Hause Gesellschaft haben.
Am meisten Angst hatte Sara im Augenblick davor, dass Lena aufgefallen war, wie merkwürdig sie sich beim Kaffeetrinken benommen hatte, dass sie bemerkt hatte, wie Sara der Schokoladenbiskuit in der Hand schmolz, weil ihre Finger vor Angst und Nervosität vollkommen verschwitzt waren.
Sei wie immer, nur keine Eile, das könnte Misstrauen wecken, hatte sie sich die ganze Zeit selbst ermahnt, obwohl ihr ganzer Körper von oben bis unten kribbelte. Die Minuten schlichen dahin, bis es so spät war, dass sie ohne Verdacht zu erregen aufbrechen und nach Hause gehen konnte.
Lena hatte also eine echte Pistole zwischen den Laken und Kopfkissen liegen. Sara ging davon aus, dass sie die auch benutzt hatte. Sie meinte auch zu wissen, gegen wen sie sie gerichtet hatte.
Wie konnte sie nur? Vielleicht hatte sie es sogar genossen, den Schuss abzufeuern.
Als sie sich genau vorstellte, was Lena gemacht hatte, bekam Sara nur noch mehr
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