Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod
schien, als nähme Erika den gesamten Raum ein und stellte sich selbst ins Zentrum. Er fühlte sich irgendwie auf eine merkwürdige Art und Weise überflüssig. Dabei war er schließlich derjenige, der die größere Erfahrung von ihnen beiden hatte.
»Ihr Mann ist beim Skifahren von einem Auto angefahren worden«, konnte er schnell vor Erika antworten, als die Frau auf dem Sofa sich die Nase geputzt hatte und fragte, was denn eigentlich passiert sei.
»Von einem Auto …, auf Skiern«, wiederholte sie tonlos.
»Ja, er muss auf die Fahrbahn gekommen sein. Es war dunkel, sagt der Autofahrer. Es gibt ja keine Straßenbeleuchtung auf dem Weg nach Dalby.«
»Johan fährt nie Ski, wenn es dunkel ist. Schließlich hat er ja den ganzen Tag zur Verfügung.«
»Ach so«, sagte er ohne jede Kritik in der Stimme und verstummte dann.
Auch Erika schwieg. Was für ein Segen, dachte er. Die Frau, die Lena hieß, schluchzte heftig und zog laut die Nase hoch. Sie hatte kein Taschentuch mehr, aber Erika zog sofort eins heraus und gab es ihr. Sie schnäuzte sich.
»Wer hat ihn verdammt noch mal angefahren?«, schrie sie dann.
»Sie werden ihn sicher nicht kennen«, antwortete Peter Berg.
Sie schaute ihn mit rot geweinten, böse funkelnden Augen an.
»Wir fahren Sie gern ins Krankenhaus«, sagte er. »Möchten Sie vorher noch jemanden anrufen?«
»Wen denn?«, zischte sie wütend.
Er holte leise tief Luft. Sie tat ihm Leid. Sie war eine ganz hübsche Frau um die Fünfunddreißig mit dickem, langem Haar. Sie hatte ein bisschen was von einem Waldweib, aber ihr Gesicht war blass, fast bläulich und verschlossen, und sie vermied es, ihm in die Augen zu sehen.
»Ich dachte, Sie hätten vielleicht irgendwelche Angehörige oder nahe Freunde, die Ihnen jetzt helfen können«, sagte er. »Vielleicht müssen ja auch Johans Eltern informiert werden.«
»Ich brauche keine Hilfe«, entgegnete sie wütend und putzte sich erneut die Nase, und Peter Berg dachte nur, wie unterschiedlich doch Trauer und Angst zum Ausdruck kommen konnten. »Außerdem sind seine Eltern tot. Alle beide. Er ist ein Nachzügler. Seine Geschwister können wir später anrufen«, erklärte sie dann.
Sie zog sich ihren Mantel an, löschte das Licht, und gemeinsam gingen sie hinunter zum Polizeiwagen. Wie schön, da wieder rauszukommen, dachte er. Die Kälte tut richtig gut.
KAPITEL 5
Als Veronika an die Tür kam, schleuderte sie sofort die Schuhe von sich, ein Paar praktische Halbschuhe, die eigentlich zu kalt waren, aber glücklicherweise weit genug. Es gab im Augenblick nicht viele Schuhe, in die ihre Füße passten.
Das Telefonklingeln schrillte durchs Haus. Sie wusste, wer das war, ganz genau wusste sie es. Sie war tatsächlich zu einer Person geworden, um die man sich Sorgen machen musste. Zumindest glaubten das so einige, und an erster Stelle ihre Mutter.
Sie bemühte sich, zwischen den Umzugskartons durch den engen Gang in den Flur zu kommen, machte die Deckenlampe an – Lampen hatten sie zumindest schon einmal angebracht – und nahm den Hörer ab.
»Meine liebe Kleine, du übernimmst dich doch nicht bei dem ganzen Umzugsstress«, sagte ihre Mutter mit kraftloser und alterszittriger Stimme.
Veronika schluckte und hielt den Hörer ans andere Ohr. Sie antwortete nicht sofort, weil sie der Meinung war, dass sie die Gründe für den Umzug häufig genug dargelegt hatte, das sollte so langsam reichen. Oder auch nicht, vielleicht musste sie das Ganze ja noch einmal herunterbeten. Sie war sich da unsicher. Der Verdacht, dass ihre Mutter bestimmte Sachen nicht mehr so richtig mitbekam, hatte sich langsam mit einem unangenehmen Gefühl bei ihr eingeschlichen. Veränderte ihre Mutter sich? Begann sie in einen Zustand der Demenz zu sinken? Bis jetzt hatte sie Überlegungen dieser Art nie wirklich ernst genommen. Und so sollte es auch bleiben. Vielleicht handelte es sich ja doch nur um eine übertriebene Sorge angesichts des Zustands der Tochter.
»Musstet ihr denn wirklich jetzt auch noch umziehen?«, fragte ihre Mutter noch einmal, diesmal eher mit Furcht als mit Tadel in der Stimme, eine neue unangenehme Variante.
Ihre Mutter hatte nie zu der besorgten, unsicheren Kategorie gehört, eher war sie eine Frau gewesen, die alles möglichst selbst bestimmen wollte. Mamas Befehlston konnte bei Veronika, so erwachsen sie war, immer noch das gleiche widerwärtige Gefühl der Unterlegenheit auslösen, wie sie es als Kind erlebt hatte, wenn sie ohne jede Vorwarnung und
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