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Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod

Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod

Titel: Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 02 - Ein plötzlicher Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Wahlberg
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all die kleinen Wäscheteilchen abnehmen, die an der Wäscheleine hingen, aber aus irgendeinem Grund blieb sie dennoch stehen.
    Sie wollte nicht hineingehen. Ihr Blick fuhr langsam über die kräftigen Farben, die Kontraste, das Grün vor dem Blauschwarz, die Sonne, die sich zwischen zwei Gewitterwolken hervorzwängte, die fast erstickende Hitze. Die Ruhe vor dem Sturm.
    Das Haus, dachte sie, das schöne Haus, gut proportioniert aus den Zwanzigern mit grauem Holz, schönen Sprossenfenstern und viel Arbeit. Hatten sie sich übernommen? Würde das Haus sie in die Knie zwingen? Eine Scheidung verursachen? Das Risiko, dass es ihnen wie ein paar guten Freunden gehen könnte, die sich hatten scheiden lassen, als das Haus fertig war, war nicht besonders groß. So weit würden sie nie kommen.
    Für diesen Sommer hatten sie alle Umbaupläne fallen lassen, was ja nicht den Weltuntergang bedeutete. Das Haus war schließlich funktionsfähig, und das Badezimmer aus den Fünfzigern mit türkisfarbenen Kacheln und eingebauter Badewanne wurde fast schon wieder modern.
    In diesem sonderbaren Augenblick schien ihr plötzlich, als ob all die Mängel gar nicht so schlimm waren. Und der Garten auch nicht.
    Sie wohnten so schön, es erinnerte sie an ihr Elternhaus. Der Garten war die Domäne ihres Vaters, des Gärtnermeisters, gewesen. Sie rechnete nach, sein Tod war jetzt wohl schon sieben Jahre her. Die Zeit verging so schnell, dass man kaum mitkam. Aber der Vater war dennoch bei ihr, erklärte ihr, welch Glück sie hatte, wo sie doch alles bekommen hatte. »Und jetzt, mein Mädchen«, hätte er gesagt, »jetzt freu dich drüber und nimm es, wie es ist.«
    Sie schloss die Tür auf, und sofort schlug ihr eine Welle abgestandener heißer Luft entgegen. Sie ließ die Tür offen stehen, setzte sich auf die aufgewärmte Treppe. Klara schlief immer noch, sie wollte den Wagen nicht anrühren.
    Sie sah, dass sie schon wieder ihre Beine rasieren musste. Helle Härchen unter den Shorts, aber dazu würde sie erst später kommen. Verdammt, wie viel Zeit brauchte man nur, um einen Körper in Ordnung zu halten.
    Sie bewegte sich nicht vom Fleck, blieb einfach untätig sitzen. Genoss es. Eine seltene Stille, ein fast begnadeter Augenblick. Die äußere und die innere Welt schienen sich zu berühren, die verschiedenen Dimensionen des Daseins drängten heran und verschmolzen miteinander, vereinten sich in einem einzigen Gefühl. Kein Gedanke verirrte sich in die Vergangenheit oder in die Zukunft.
    Ein Zucken in der Brust, ein Schauder, der sie dazu brachte, sich leicht zu fühlen.
    Das Zusammengehörigkeitsgefühl mit Baum und Gras war intensiv, mit dieser vibrierenden Stille, mit der Tochter, mit Claes, wo immer er jetzt sein mochte, kurz gesagt, mit dem Leben selbst. Sie hatte bei einem anderen Menschen ein Zuhause gefunden, und sie hatte bei sich selbst ein Zuhause gefunden. Sie gestattete sich selbst, glücklich zu sein, natürlich nicht bis in alle Ewigkeit, aber zumindest im Augenblick. Nur jetzt.
    Es klingelte im Haus, und damit war der Zauber gebrochen. Sie stand auf, ging hinein und nahm den Hörer ab.
    »Spreche ich mit einer Angehörigen von Elvira Lundborg?«, fragte eine fremde Männerstimme höflich jedoch gleichzeitig vorsichtig und eine Spur zurückhaltend, und sie ahnte natürlich sofort Böses.
    »Ich bin ihre Tochter.«
    »Ich bin Arzt am Allgemeinen Krankenhaus in Norrköping, und ich rufe an, um Ihnen mitzuteilen, dass Ihre Mutter heute bei uns eingeliefert wurde.«
    Sie schluckte, wartete, das Atmen des fremden Arztes war im Hörer zu vernehmen.
    »Sie kam heute Morgen mit dem Unfallwagen ziemlich mitgenommen hier an«, fuhr die Stimme fort. »Sie hatte eine Gehirnblutung … und zwar eine ziemlich umfangreiche. Wir haben keinen Kontakt zu ihr.«
    Erneutes Schweigen, sein Atmen. Sie wusste nicht, was sie ihn fragen sollte. Alles stand still, ihre Brust zog sich zusammen. Bitte! Nicht jetzt! Nicht ausgerechnet jetzt!
    »Dann gehen Sie nicht davon aus, dass sie wieder gesund werden kann?«, fragte sie zögernd, während sie gleichzeitig ja schon wusste, dass sein Bericht keinerlei Hoffnung ließ.
    »Das ist natürlich schwer zu sagen …«
    »Ich weiß«, sagte Veronika, während der Druck in ihrer Brust zunahm.
    Sie musste hinfahren. Ihre Sachen packen und mit Klara hinfahren.
    »Ich habe gestern noch mit ihr telefoniert, und da klang alles ganz normal«, sagte sie leise.
    »Aha. Dann hat sie also nicht lange gelegen«, erwiderte er

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