Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster
irgendwo hatte versenken wollen, aber noch nicht dazu gekommen war. Vielleicht hatte ihm die Pistole aber auch ein Gefühl von Macht gegeben und sein Selbstbewusstsein gestärkt. Vielleicht hatte er sie aber auch noch mal verwenden wollen.
Wir werden es nie erfahren. Wenn es nun wirklich die Waffe war, mit der auf Charlotte Eriksson geschossen wurde, dachte Claesson resigniert.
Claes feierte um die Mittagszeit ein paar Überstunden ab, um Veronika vor der Mütterklinik zu treffen, die im alten Lazarett mitten in einem großen Park unweit des Hafens untergebracht war. Er konnte das Meer riechen, als er aus dem Auto stieg. Den Duft von Tang nahm er manchmal auch in der Brise auf dem Parkplatz des Präsidiums wahr. Ich brauche das, dachte er dann immer. Wind, Wasser und Wald, dann bin ich glücklich! Auf der anderen Seite der Wiese lag in einem kleinen, charmanten Holzhaus das Atelier des berühmten Holzschnitzers Döderhultarn, das man im Sommer besichtigen konnte. Gegenüber erhob sich direkt hinter dem alten Lazarettgebäude der mit Tannen und Kiefern bestandene Stockholmsberg.
Veronika wartete bereits ungeduldig. Er küsste sie auf die Wange, und sie gingen ins Haus. Ausnahmsweise hatte er darauf bestanden mitzukommen. Für den Fall, dass …
Während Veronika ihre Unterlagen aus Lund überreichte, versuchte er sich mit dem Gedanken zu beruhigen, dass sie auch die Plazentauntersuchung in Linköping durchgestanden hatten, und da war ihm noch mulmiger gewesen.
Die Hebamme ließ sie zuerst die Herztöne des Kindes hören. Sie war sehr geschickt. Aus dem Verstärker pochte es schnell und rhythmisch. Einen Augenblick lang musste Claes sich bemühen, die Fassung zu bewahren.
»Es wird alles gut. Du wirst schon sehen«, sagte er und versetzte Veronika einen kleinen Stups.
Sie verließen die Mütterklinik vollkommen benommen. Geteilte Freude, doppelte Freude, dachte er und wusste kaum, wie er seine Gefühle bändigen sollte. Mit beiden Händen griff er Veronikas Kragen, zog sie an sich und gab ihr einen geräuschvollen Kuss auf den Mund.
»Gut gemacht, Veronika!«
»Einen gewissen Beitrag hast schließlich auch du geleistet«, erwiderte sie und tätschelte ihm mit ihrem Fausthandschuh die Wange.
Dann fuhren sie zusammen nach Hause.
»Dann fange ich vermutlich so allmählich nach Neujahr wieder an zu arbeiten«, meinte sie.
»Ist das wirklich vernünftig?«
»Es ist so langweilig, zu Hause zu sitzen. Außerdem fällt jetzt niemand mehr über mich her. Die Menschheit ist vergesslich.«
Das glaubst du, dachte er.
»Vielleicht vertrauen sich mir doch wieder ein paar Patienten an, ohne Angst zu haben, dass ich sie ermorde.« Sie lachte.
Die Fahrbahn war voller Schneematsch, und Claesson musste langsamer fahren. Er hielt an, weil ein schwarzer Wagen aus der Ausfahrt des Pflegeheims Gullregnet bog. Durch das Seitenfenster sah Claesson, wer am Steuer saß. Es war Harald Eriksson.
Er hat dort also einen Angehörigen, den er besucht, dachte Claesson.
Claesson kehrte ins Präsidium zurück und wollte mit Louise Jasinski und Peter Berg sprechen, aber beide waren unterwegs. Er beschloss, sich an die Regeln zu halten und nicht in den Akten über Charlotte Erikssons Tod herumzustöbern.
Da erhielt er vom Empfang den Bescheid, dass zwei Personen ihn zu sehen wünschten.
»Sie waren vorhin schon einmal hier, aber da waren Sie gerade nicht verfügbar«, sagte die etwas verhuschte Vertretung von Nina Persson.
»Ich komme gleich.«
Er legte auf, erhob sich und ging nach unten. Zwei Frauen erwarteten ihn. Die eine war um die zwanzig, die andere etwa siebzig.
Die ältere, eine gut erhaltene, füllige Dame mit sportlichem Kurzhaarschnitt, eröffnete das Gespräch.
»Das hier ist meine Enkelin«, sagte sie mütterlich und legte der jungen Frau eine Hand auf die Schulter.
Diese brach in Tränen aus.
Louise Jasinski und Peter Berg warteten im Foyer und hatten reichlich Gelegenheit, die Empfangsdame der Drott Engineering AB zu begutachten, die höchstens fünfunddreißig Jahre alt war und kühl und unnahbar hinter ihrem Schreibtisch saß.
Harald Eriksson hatte mit gelassener Nachdrücklichkeit betont, er sei beschäftigt, als Louise einen Termin mit ihm hatte vereinbaren wollen.
»Ich kann kommen, wann immer es Ihnen passt«, hatte Louise auf ihrem Anliegen beharrt, »aber es muss heute noch sein.«
Daraufhin hatte er nachgegeben. Und jetzt waren sie zum verabredeten Zeitpunkt erschienen. Trotzdem bat er sie
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