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Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster

Titel: Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 06 - Der Tröster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Wahlberg
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lebten sie jeden Tag und sahen sich Wechselbädern der Gefühle ausgesetzt. Man fühlte sich bestätigt, als Helfer, und durfte oft erleben, wie Menschen ihren Lebensmut wiedergewannen, sie besaßen die Gewissheit, auserwählt zu sein, eine Prüfung absolviert und das Glück gehabt zu haben, durchgehalten zu haben.
    So wie ihre eigene Tochter.
    Das Schlimmste ist vorbei, beruhigte sie sich. Es wird schon alles wieder. Obwohl Cecilia noch den größten Teil des Weges vor sich hatte.
    »Ihr Mann will nicht, dass wir mit ihr über die Vorkommnisse sprechen«, meinte Anne, der Veronikas abwesende Miene nicht aufgefallen war.
    Anne verschränkte die Arme über der Brust und lehnte sich auf ihrem Bürostuhl zurück. Sie gehörte zu den wenigen Menschen, die sagen konnten, was sie wollten, ohne dass das unverschämt oder kränkend klang. Außerdem war sie eine Schönheit und trug immer eine gepflegte Frisur. Ihre braunen Brauen stets korrekt gezupft. Ihr Körper war kompakt und wendig, sie bewegte sich rasch, war immer fröhlich, und ihre Augen funkelten.
    »Ach? Und wie sollen wir das vermeiden?«, wollte Veronika wissen.
    Sie hatte keine Lust auf einen schwierigen Angehörigen.
    »Er meint, dass wir sie nicht beunruhigen sollen. Ich habe zu ihm gesagt, er soll das mit Ihnen besprechen.«
    Schwester Anne lächelte spitzbübisch.
    »Wie hieß er gleich wieder?«, fragte Veronika und fuhr sich mit dem Zeigefinger über den Nasenrücken.
    »Harald Eriksson«, antwortete Anne und schaute sicherheitshalber noch einmal in der Krankenakte nach. »Ein recht gut aussehender Mann.«
    Veronika memorierte den Namen des Mannes und trat ans Bett. Er saß in sich zusammengesunken auf einem Stuhl neben dem Bett seiner Frau. Sein Gesicht wies dunkle Schatten auf, und die Sorgenfalten hatten sich so tief eingegraben, als seien sie von dem bekanntesten Mann der Stadt, dem Holzschnitzer Döderhultarn, eingemeißelt worden. Die Skulptur könnte »Ehemann am Krankenlager der Frau« heißen, dachte Veronika und stellte sich ans Fußende.
    Der Gatte trug einen olivgrünen Lammwollpullover und darunter ein hellblau-olivgrün kariertes Hemd. Die Hose war aus einem moleskinähnlichen Stoff und von demselben Farbton wie der Pullover, nur eine Nuance dunkler. Dazu trug er ein Paar dunkelbraune Schnürschuhe mit Ledersohlen, die erstklassig geputzt waren. Sicher Schuhe, die knarzen, dachte Veronika. Ein gemütliches Knarzen hochwertigen Leders.
    Die Kleider wirkten warm, als hätte er sich auf Kälte eingestellt.
    Die Pflegehelferin entfernte sich leise und ließ Veronika mit der Patientin und ihrem Mann allein. Charlotte Eriksson war immer noch bleich und lag reglos auf dem Rücken. Natürlich tat ihr trotz der Schmerzmittel jede noch so kleine Bewegung weh. Nun war sie allerdings etwas wacher. Angesichts der Umstände wirkte sie geradezu munter. Vorsichtig nahm Veronika ihre Hand und versuchte, ihr in die Augen zu schauen. Die Patientin bedeutete ihr, dass sie ihre Anwesenheit zur Kenntnis genommen habe, indem sie nickte, sagte aber nichts.
    Zum ersten Mal konnte sich Veronika ein Bild davon machen, wie Charlotte Eriksson aussah. Der Muskeltonus war nach der Narkose wiederhergestellt, und das Gesicht hatte seine Konturen zurückerhalten. Die Frau sah recht gut aus, typisch nordisch mit aschblondem, eher kurzem Haar, das jetzt auf dem Kissen ausgebreitet lag. Ein hübsches, bleiches Gesicht mit klaren, sanften Zügen. Sie hatte eine für ihr Alter glatte und gleichmäßige Haut und nicht die großporige Pergamenthaut der Kettenraucher. Sie war schlank, und es war kein Problem gewesen, sie zu operieren. Veronika hatte sich durch keine nennenswerten Fettschichten arbeiten müssen.
    Veronika hatte sich nicht mit dem Hintergrund der Patientin befasst, hatte aber trotzdem am Vormittag erfahren, dass sie früher als Krankengymnastin im Krankenhaus gearbeitet hatte. Die Gerüchte über die Vorfälle hatten sich natürlich in der gesamten Klinik verbreitet, und es gab immer Kollegen, die jemanden kannten, der es genau wusste. Veronika konnte sich nicht erinnern, ihr schon einmal begegnet zu sein.
    Charlotte Eriksson hatte dem städtischen Krankenhaus den Rücken gekehrt und mit einer anderen Krankengymnastin eine Praxis eröffnet. Veronika konnte sich nicht den Nachnamen der anderen ins Gedächtnis rufen, wusste aber, dass sie Elle mit Vornamen hieß und früher in der Chirurgie gearbeitet hatte. Die beiden mussten sehr unterschiedlich sein, jedenfalls

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