Lundborg-Westmann & Claes Claesson - 07 - Tödliche Geschäfte
grauschwarze Fußmatte aus Kunststoff und etwas Sand. Er tastete unter den Sitz. Nichts. Sicherheitshalber ging er in die Knie und legte den Kopf auf die Plastikmatte, um unter den Sitz zu schauen. Er entdeckte eine Fünf-Kronen-Münze und zog sie hervor. Ein Bonbonpapier ließ er liegen. Kein rotes zusammengeknülltes Papier.
Es war weg.
18
Birgitta Olsson holte frische Laken aus dem Wäscheschrank. Sie waren sogar gemangelt.
»Du nimmst doch dein altes Zimmer«, meinte ihre Mutter. »Wir heizen da zwar nicht, aber draußen ist es schließlich nicht kalt.«
Dass man mit über sechzig immer noch sein erstes Zimmer haben konnte! Einige Möbel fehlten oder waren umgestellt, aber es war immer noch ihr Zimmer. Eine verblichene Blümchentapete, ein brauner Fleck in der oberen Ecke, der immer schon dort gewesen war. Ihre Eltern hatten ihr Schlafzimmer auf der anderen Seite des Ganges gehabt, schliefen aber jetzt im ehemaligen Damenfrisiersalon im Erdgeschoss, um sich die Treppe zu ersparen. Dort hing immer noch der große Spiegel von damals. Wie die Jahre vergingen!
Nein, sie vergingen nicht. Sie flogen.
Sie bezog das Bett. Die Laken waren kühl und weich. Zwei Laken, ihre Eltern hatten nie Bettbezüge benutzt. Sie fuhr mit den Fingerspitzen über die Borte, die ihre Großmutter gehäkelt hatte. Die Nachttischlampe leuchtete mit demselben gelben Schein wie immer.
Als sie sich auf das schmale und viel zu weiche Bett setzte, um sich auszuziehen, fiel ihr Blick auf das Foto auf der Kommode, das immer dort gestanden hatte. Es war von einem herumreisenden Fotograf irgendwann in den fünfziger Jahren aufgenommen worden. Ein vergilbtes, koloriertes Foto von Lasse, Harry und ihr.
Wo ihre Schwester an jenem Tag gewesen war, wusste sie nicht. Iréne, die dann mit ihrem erfolgreichen Ehemann in die Welt gezogen war. Jetzt lebte sie vom schwedischen Staat, da ihr Mann sie wegen einer jungen Brasilianerin verlassen hatte. Iréne hat es sich leicht gemacht, dachte Birgitta. Keine vernünftige Berufsausbildung, immer nur Drinks am Pool. Birgitta war früher oft eifersüchtig auf ihre kleine Schwester, während sie selbst sich im Kleinstadtleben Oskarhamns gefangen fühlte. Aber jetzt hatte Iréne es vermutlich nicht so leicht. Knapp bei Kasse und Rheuma. Sie wohnte in Vallentuna bei Stockholm.
Birgitta betrachtete das Foto erneut und ließ ihre Gedanken in die Vergangenheit zurückschweifen. Lasse, Harry und sie standen auf dem schmalen, kurvigen Weg zwischen ihren Höfen, die sich gegenüberlagen. Sie sahen aus wie die Kinder von Bullerbü. Blond und mit Zahnlücke.
Dann kroch sie ins Bett. Sie fühlte sich wie ein kleines Mädchen zu Hause bei Mama und Papa, und das war gerade jetzt gut.
Claesson lag wieder mit Nora auf dem Bauch auf dem Sofa im Wohnzimmer. Jetzt war es allerdings bereits halb zehn Uhr nachts. Klara schlief. Veronika räumte die Küche auf.
Er war früher als geplant nach Hause gekommen. Mustafa Özen und er waren doch nicht nach Kalmar gefahren. Der Teppichhändler war nicht zu Hause gewesen, wollte sie aber morgen treffen.
Die Witwe war auch nicht zu Hause gewesen. Sie war zu ihren Eltern gefahren. Klug, dachte er. Bei den Eltern konnte man wieder Kind sein. Wenn er vor ihrer Reise in die Türkei am Mittwoch nicht mehr mit ihr sprechen konnte, dann ließ sich das auch nicht ändern. Dann musste er sie eben in Istanbul vernehmen. Lieber spät als gar nicht. Laut Ludvigsson und Jönsson hatte ihre Aussage, keine Ahnung zu haben, was geschehen sein könnte, glaubwürdig geklungen.
Veronika ließ sich in den Sessel sinken. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen.
»Wie kommt ihr eigentlich zu detaillierten Angaben über einen Mord im Ausland?«, fragte sie und legte ihre nackten Füße auf den Tisch.
»Dafür gibt es festgelegte Abläufe«, erwiderte er. »Der Ermittler vor Ort schreibt einen Bericht für das Interpolbüro der eigenen Hauptstadt … in diesem Fall also Ankara. Einerseits sind die Angehörigen zu unterrichten, andererseits benötigt man Informationen über das Opfer aus dessen Heimatland. Interpol hat eine eigene Homepage. Du findest sie problemlos im Internet, wenn dir das Spaß macht …«
»Ich habe schon genug zu tun!«, erwiderte sie. »Und dann?«
»In Ankara wird alles übersetzt, in diesem Fall ins Englische. Dann geht der Schriftsatz an das Interpol-Hauptsekretariat in Lyon und von dort an unser Interpolbüro in Stockholm. Das Landeskriminalamt wird informiert und je nach
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