Lust und Gefahr
hinauf ins Obergeschoss führte. Am Fuße der Treppe hielt sie inne und sah ihn ernst an. »Mein Aufenthalt hier hängt doch nicht davon ab, ob ich mit dir ins Bett gehe, oder?«
»Nein.« Weshalb er sich durch ihre Frage verletzt fühlte, wusste er nicht. »Gut«, entgegnete sie. »Denn auch wenn ich in meinem Leben einiges getan habe, auf das ich nicht gerade stolz bin, habe ich mich nie auf Sex im Austausch für Gefälligkeiten eingelassen. Und ich werde jetzt nicht damit anfangen.« Damit eilte sie die Stufen hinauf und verschwand aus seinem Blickfeld.
Mac starrte ihr hinterher. Diese Frau war zugegebenermaßen auch ziemlich direkt. Das gefiel ihm.
Wenn er nicht aufpasste, fing er noch an, sie zu mögen.
Und das wäre nicht besonders klug – und wenn er etwas war, dann klug und vorsichtig und entschlossen, gleichgültig zu bleiben, vor allem, wenn es um seine derzeitige Mitbewohnerin ging. Sich mit Tommi Smith einzulassen – über das Körperliche hinaus – würde nichts als Ärger bedeuten. Wenn er eines Tages mit einer Frau zusammen sesshaft werden würde, dann wollte er sich keine Gedanken darüber machen müssen, dass sie ein Auge auf ihn hatte, während sie mit dem anderen Ausschau nach der nächsten Eroberung hielt.
Tommi schlüpfte in ihre Jeans, machte die sechs Knöpfe zu und kuschelte sich in einen cremefarbenen Pullover. Sie bürstete sich das Haar und steckte es mit einer Schildpattspange zurück. Stirnrunzelnd betrachtete sie ihre weißen Sneakers … Nicht gerade die beste Wahl bei diesem Wetter, aber es ging nicht anders.
Als sie fertig war, atmete sie erst einmal tief durch, um die widersprüchlichen Gefühle in den Griff zu bekommen, die sie beschäftigten, seit sie vor weniger als zehn Minuten die Schlafzimmertür hinter sich zugezogen hatte. Sie setzte sich auf den Stuhl am Fenster und blickte in den trüben Nachmittagshimmel hinaus.
Dieser Kuss …
Sie wühlte in ihren buntgemischten Erinnerungen herum und war erstaunt, dass sie Mac keinen anständigen Tritt gegen das Schienbein gegeben hatte und hinausgestürmt war. So hätte ein gutes, anständiges Mädchen, zu dem Mütter ihre Töchter normalerweise erzogen, es getan. Das Problem war, dass sie keine Mutter, sondern nur einen Vater gehabt hatte, der nie für sie da gewesen war. Und sie selbst hatte sich nie für gut und anständig gehalten. Doch selbst wenn es in ihrem Leben den einen oder anderen Mann zu viel gegeben hatte, so waren es auf keinen Fall genügend Männer gewesen, um sie zum »umtriebigsten Flittchen von Seattle« zu küren.
Bei weitem nicht.
Und hier saß sie nun, in einer Hütte am Ende der Welt, und dachte ernsthaft darüber nach, ob sie mit Hughs Bruder ins Bett gehen sollte.
Entweder bin ich verrückt oder sexuell ausgehungert.
Verdammt, sie liebte Sex. Dafür musste sie sich nicht entschuldigen. Vor allem liebte sie Sex mit erfahrenen, guten Liebhabern. Mit Männern, die sich mit ihrem eigenen Körper wohl fühlten und die ungezwungen mit dem weiblichen Körper umgingen. Dieses Gefühl … Ein starker, kraftvoller Männerkörper, der sich nach Erlösung sehnte. Das Gefühl von poliertem Stahl und gebürsteter Seide. Der moschusartige Geruch. Die Hitze seiner Lust in seinen Augen, wenn er ihren Körper erkundete, ihre warme Haut streichelte … ihre Lustperle reizte. Sie schmeckte.
Der Rausch, wenn man kam …
Sie schlug die Beine fest übereinander und atmete tief ein. Wenigstens war sie klug genug gewesen, nicht mit Reid zu schlafen. Sie hatte kurz davorgestanden – immerhin hatte er alles richtig gemacht –, doch irgendetwas hatte sie zurückgehalten. Ihr Instinkt, schlicht und einfach.
Und ihren Instinkt brauchte sie jetzt mehr denn je. Mit geschlossenen Augen horchte sie in sich hinein, um die Stimmen zu hören, die ihr sagten, welchen Weg sie gehen sollte. Aber dieses Mal waren die Stimmen nicht so eindeutig. Einerseits drängten sie sie in Macs Arme, in sein Bett. Andererseits murmelten sie: Sei vorsichtig.
Eine Frau wusste nicht, ob der nächste Fehler vielleicht ein Fehler zu viel war. Sie entschied sich, auf die Stimmen zu hören, die sie warnten. Schließlich war sie hergekommen, um sich sicher fühlen zu können und nicht, um irgendetwas zu bereuen.
Wenn sie Reue empfinden wollte, musste sie nur mit Mac ins Bett gehen, bevor sie richtig darüber nachgedacht hatte. Er hätte sie nicht küssen sollen – wenn man die sachte Berührung ihrer Lippen einen Kuss nennen konnte. Sie strich sich
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