Lustakkorde - Ostfrieslandkrimi (German Edition)
nickte zustimmend. „Genauso sieht’s aus.“
Magdalena blickte von einem zum
anderen. Erstmals ging ihr auf, dass es auch so etwas wie Schulprobleme geben
konnte. Darüber hatte sie sich bisher kaum Gedanken gemacht. Schließlich hatte
sie in den letzten Jahren in kaum einem Fach mal keine Eins gehabt. Schon
deshalb, weil ihr Vater das nicht akzeptiert hätte. Einmal hatte sie aus
Versehen nur elf Punkte, also eine glatte zwei, in einer Physikklausur mit nach
Hause gebracht. Ihr Vater war außer sich gewesen, und hatte ihr gesagt, wie
enttäuscht er von ihr sei und dass er solch ein Versagen nicht noch einmal
akzeptieren werde.
„Ich könnte dir helfen“, bot
Magdalena an.
„Du?“ Adrian sah sie an wie eine
Erscheinung. „Das würdest du tun?“
„Warum nicht?“
„Musst du denn nicht nach Hause?“,
fragte Mareike zweifelnd.
Magdalena sah auf die Uhr. „Ich
sage einfach, dass wir noch eine Vorbesprechung zum Abi haben.“
„Du lügst deine Eltern an?“ Renke
war platt.
„Wieso“,
lachte Magdalena und fühlte sich plötzlich unendlich befreit, „wenn ich Adrian
bei den Matheaufgaben helfe, ist das doch eine Art Vorbesprechung zum Abi,
oder?“ Sie griff den völlig perplexen Adrian beim Ärmel seiner Jacke und zog
ihn mit sich fort, während Mareike und Renke ihnen mit offenen Mündern
hinterher starrten.
Interessiert sah sich Magdalena
in Adrians Zimmer um. Es war groß und freundlich, ausgestattet mit hellen
Möbeln, an den Wänden Poster von Fußballmannschaften und Motorrädern. In einer
Ecke, abgeschirmt von einem großen, mit Büchern und DVDs überfrachteten Regal,
stand ein breites Bett, an der Wand gegenüber lud eine ausladende schwarze
Sitzgruppe zum Herumgammeln ein. Die großen Fenster boten einen herrlichen
Blick über die Wiesen und Felder hinter Wolthusen. Magdalena öffnete die
Terrassentür und steckte schnuppernd die Nase in den frischen Nordostwind.
„Wow“, sagte sie, „die Aussicht ist ja der helle Wahnsinn!“ Sie schaute nach
rechts und links. „Und die Terrasse gehört ganz alleine dir, oder was?“,
stellte sie dann erstaunt fest.
„Ja. Die von meinen Eltern ist um
die Ecke.“
„Und wer hat das Zimmer neben
dir?“ Magdalena hatte eine zweite Tür zur Terrasse entdeckt.
„Meine Schwester. Clara. Aber sie
ist schon ausgezogen. Sie studiert in München.“
„München? Das ist aber weit weg.“
„Hat sie sich so ausgesucht.“
„Und deine Eltern hatten nichts
dagegen?“
„Warum sollten sie. Wenn Clara es
so will.“
„Hm.“ Magdalena sah Adrian
eindringlich an. „Und was willst du nach dem Abi machen?“, fragte sie dann.
„Studieren. Irgendwas Technisches,
glaube ich. Weiß noch nicht so genau.“
„Für Technik braucht man Mathe“,
grinste Magdalena.
„Stimmt. Und was willst du
machen?“
„Theolo ...“ Magdalena stutzte
und runzelte die Stirn.
„Was ist?“
„Ich ... weiß nicht. Mein Vater
... er meint, ich soll Theologie studieren.“
„Und was meinst du?“
„Das dachte ich bisher auch. Ich
meine, eigentlich habe ich nie wirklich darüber nachgedacht. Mein Vater ...“
Magdalena schüttelte verwirrt den Kopf, während sie, in Gedanken versunken, die
Haarspange aus ihrem Zopf löste. Ihre dunklen Locken fielen ihr in dichten,
glänzenden Wellen den Rücken hinab. Fröstelnd schlug sie die Arme vor dem
Körper zusammen und ging ins Zimmer zurück. Ihr war plötzlich sehr kalt.
Langsam ließ sie sich auf den Schreibtischstuhl sinken, der direkt neben der
Terrassentür stand, stützte sich mit den Ellenbogen auf den Schreibtisch und
vergrub ihren Kopf in den Händen. „Ach Adrian“, sagte sie gedehnt, „ich weiß
eigentlich gar nicht mehr, was ich will. Es ist plötzlich ... alles so anders,
so ... verwirrend.“ Dann schluchzte sie unvermittelt laut auf und brach in
Tränen aus.
Adrian trat hinter sie und legte
eine Hand auf ihre Schulter. „Du musst es wirklich verdammt schwer gehabt
haben“, sagte er leise, „so verdammt schwer. Was haben sie nur mit dir gemacht?“
Mit einer sanften Bewegung strich er Magdalena die Haare zurück, die sich wie
ein fließender Vorhang über die Schreibtischplatte ergossen. „Du bist so
wunderschön, Lena, so wunderschön“, sagte er heiser. Und noch ehe er sich’s
versah, war Magdalena mit ihrem Schreibtischstuhl herumgewirbelt und warf sich
in seine Arme. „Halt mich fest, Adrian, bitte, halt mich ganz fest!“,
schluchzte sie, und ihr Körper wurde von Weinkrämpfen
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