Lustakkorde - Ostfrieslandkrimi (German Edition)
Wie gebannt folgten Magdalenas Augen jeder seiner Bewegungen. Soeben
öffnete er mit einer schwungvollen Bewegung das Fenster, griff nach einem
Gegenstand und schleuderte ihn in den Raum. Scheppernd fiel er zu Boden und ließ
noch einmal Magdalenas Namen vernehmen. Dann endlich gab er Ruhe. Es war ein
kleiner, silberfarbener Rekorder.
Magdalena kauerte auf dem Boden
und wimmerte still vor sich hin. Ein eisiger Lufthauch strich ihr vom Fenster
kommend durchs Gesicht und ließ sie erschaudern. Ihre Mutter hatte sich zu ihr
hinuntergebeugt und strich ihr mit leerem Blick immer wieder mechanisch über
den Kopf. Onno Fehnkamp aber starrte sichtlich verwirrt zunächst auf den
Rekorder, dann auf die Straße hinaus, die vom Schein der Straßenlaterne in ein
seichtes Licht getaucht wurde. Alles war ruhig, lediglich in der Ferne war das
röhrende Geräusch eines sich entfernenden Motorrollers zu hören. Resigniert
zuckte er mit den Schultern und griff nach dem Fenster, um es wieder zu
schließen. Doch gerade in diesem Moment hörte er im Gebüsch, das das Haus der
Fehnkamps von dem der Nachbarn abgrenzte, ein Rascheln. „Ist da jemand?“, rief
er in die Stille hinein. Nichts rührte sich. Für eine kurze Weile noch horchte
er in die Nacht hinaus, doch als sich nichts tat, schloss er das Fenster und
zog den Vorhang zu. Mit schlurfenden Schritten durchstreifte er das Zimmer. Die
tiefe Röte seines Gesichts war nun einer wächsernen Blässe gewichen. Wie
ferngesteuert näherte er sich dem Rekorder, nahm ihn hoch und begutachtete ihn.
Dann warf er seiner Tochter einen unergründlichen Blick zu. „Wer war das?“,
fragte er tonlos.
17
Frühjahrsputz. Vielleicht war es
dafür noch ein wenig zu früh, denn schließlich war es erst Anfang März, und der
Wetterbericht kündigte für die nächsten Tage einen erneuten Wintereinbruch an.
Aber irgendetwas musste sie tun, sonst würde sie in dieser Enge noch verrückt
werden. Also zog sich Sybille Ravensburger gelbe Gummihandschuhe über, ließ
heißes Wasser mit einem guten Schuss Putzmittel in einen blauen Eimer laufen
und kramte im Schrank unter der Spüle nach einem Lappen. Dabei fiel ihr Blick
auf ein weinrotes Stück Stoff, das sich zwischen all ihren Putzmitteln und -lappen
ein wenig eigentümlich ausnahm. Obwohl niemand im Raum war, sah sie sich
peinlich berührt in ihrer Küche um, so, als wolle sie ausschließen, dass sie in
diesem Moment von wem auch immer beobachtet wurde. Ja, seit dem Vorfall in der
Schule, als dieser unverschämte Renke sie auf ihre Beziehung zu Raffael Winter
angesprochen hatte, litt sie unter einer gewissen Paranoia. Denn woher, bitte
schön, wussten ihre Schüler von der Sache? Schuld daran konnte doch einzig und
alleine Magdalena Fehnkamp sein, dieses kleine, scheinheilige Flittchen. Zwar
hatte sie, Sybille, angenommen, dass Magdalena sie damals im Treppenhaus gar
nicht wahrgenommen hatte. Aber da musste sie sich getäuscht haben. Ganz
bestimmt hatte sie Raffael auf Sybille angesprochen, und er hatte ihr
vermutlich hämisch lachend von der tiefen Demütigung erzählt, die er ihr
zugefügt hatte. Ja, nur so konnte es gewesen sein. Und in ihrer schäbigen
Geltungssucht hatte Magdalena alles brühwarm ihren Mitschülern aufgetischt. Das
war sicherlich auch der Grund für ihre plötzliche Beliebtheit. Denn wer eine
solch heiße Story zu erzählen hatte, der war schon wer bei diesen jungen
Leuten. Beim nächsten Gedanken lief Sybille ein kalter Schauer über den Rücken.
Und was, wenn sie diese Geschichte sogar ins Internet eingestellt hatte? Auf
Facebook und Twitter und allen anderen furchtbaren Portalen, auf denen sich die
Schüler tagein, tagaus herumtrieben, nur, um ihre Mitmenschen zu drangsalieren
und bloßzustellen? Womöglich war sie längst, ohne es zu wissen, eines dieser
bedauernswerten Mobbingopfer geworden, von denen man immer wieder in den Medien
hörte. Doch wie sollte sie das herausfinden? Sie selber verkehrte nicht auf
diesen Portalen. Hm. Gerade gestern erst hatte sie sich lange Gedanken darüber
gemacht, wie sie sich nun ihrerseits bei Renke und Magdalena für das ihr wiederfahrene
Leid rächen konnte. Über die Deutschzensuren war da nicht viel zu machen, e sie
ja erst unlängst hatte feststellen müssen. Nie wieder wollte sie sich eine
solche Standpauke anhören, wie sie ihr Direktor Meenders bezüglich der Benotung
von Magdalenas Deutschklausur gehalten hatte. „Ich weiß nicht, welches Hühnchen
Sie mit Magdalena Fehnkamp zu rupfen
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