Lustakkorde - Ostfrieslandkrimi (German Edition)
was?“,
flüsterte Magdalena, nahm aber ihre eigene Stimme durch das zunehmende Rauschen
in ihrem Kopf kaum noch wahr.
„Ich wiederhole nur das, was mein
Sohn mir gesagt hat.“ Für wenige Augenblicke schwieg Katharina, dann fuhr sie
mit ruhiger Stimme fort: „Ich bin nicht hier, um dir einen Vorwurf zu machen,
Magdalena. Ganz bestimmt nicht. Und ich glaube auch nicht, dass du Raffael
umgebracht hast. Jonathan hat sich da in irgendwas verrannt. Er sucht ganz
einfach einen Schuldigen. Nein, ich will dich nur warnen. Glaube mir, ich weiß,
was es heißt, ein sexuell ausschweifendes Leben zu führen und sich dabei auf
das Verantwortungsgefühl der Männer zu verlassen. Ich habe es getan. Und ich
bin bitter enttäuscht worden. Ganz bitter. Ich würde dir ein solches Schicksal
gerne ersparen.“
„Ich verstehe nicht ... ich habe
nicht“, stammelte Magdalena. Was nur warf diese Frau ihr vor?
„Du bist schön, Magdalena,
wunderschön“, fuhr Katharina Eckstein unvermittelt fort. „Das war ich auch mal,
nur auf eine andere Art. Und nun sieh dir an, was aus mir geworden ist.“
Magdalena nickte unmerklich. Sie
wäre dieser Aufforderung gerne gefolgt, aber sie konnte ihren Blick nicht mehr
fokussieren, so sehr hatte sich dieses abscheuliche Flimmern vor ihren Augen inzwischen
verschärft.
„Nun, ich gehe dann mal wieder.
Mir scheint, dir geht es nicht gut.“ Katharinas Stimme klang so ruhig, wie
zuvor. Und doch glaubte Magdalena, eine gewisse Schadenfreude heraus zu hören.
Was nur hatte sie dieser Frau getan, dass sie sich an ihrem Leid ergötzte? Aus
ihrem verschwommenen Blickwinkel nahm sie wahr, dass sich Katharina Eckstein
aus ihrem Stuhl erhob. Gleich darauf hörte sie, wie die Türklinke herunter gedrückt
wurde. Unwillkürlich stieß Magdalena einen Seufzer der Erleichterung aus. Aber
sie hatte sich zu früh gefreut. Denn genau in diesem Augenblick hörte sie die
erstaunte Stimme ihrer Mutter sagen: „Guten Tag. Darf ich fragen, was Sie im
Zimmer meiner Tochter zu suchen haben?“
Katharina stieß ein kehliges
Lachen hervor und schob Gundula Fehnkamp beiseite. „Fragen Sie lieber, was all
die Männer im Schoß Ihrer Tochter zu suchen haben“, rief sie laut und deutlich,
während sie die Treppe hinunterlief und die Haustür hinter sich in Schloss
fallen ließ.
Noch ehe ihre Mutter daraufhin
irgendwas erwidern konnte, sprang Magdalena aus ihrem Stuhl hoch und hetzte an
ihr vorbei zur Toilette, wo sie sich in hohem Bogen erbrach.
„Was hat diese Frau damit
gemeint?“, fragte Gundula Fehnkamp, als Magdalena, leichenblass und mit tiefen,
dunklen Ringen unter den Augen, wieder ins Zimmer kam. „Was redet sie da? Und
wer ist diese Frau überhaupt?“
Magdalena legte sich auf ihr Bett,
schloss die Augen und schwieg. Obwohl sie jetzt wieder deutlicher sehen konnte,
weil das Flimmern vor ihren Augen weniger geworden war, fühlte sie sich so
elend, dass sie einfach nicht die Kraft aufbrachte, auf die Frage ihrer Mutter
zu antworten. Sie wollte alleine sein. Einfach nur allein. Aber ihre Mutter
ließ sie nicht in Ruhe. Als Magdalena ihre Augenlider ein kleines bisschen
anhob, bemerkte sie, dass ihre Mutter sie mit starrem Blick ansah. Zugleich
schien es ihr, als ob sie sie gar nicht wahrnahm, sondern durch die hindurch
sah, als wäre sie aus Glas.
„Wer nur war diese Frau?“,
stellte die Mutter Sekunden später ihre Frage erneut, „und was nur hat sie in
Magdalenas Zimmer zu suchen?“ Sie sprach so leise, dass Magdalena sie kaum
verstand. In diesem Moment ging ihr auf, dass ihre Mutter völlig in sich selbst
versunken war. Ja, sie hatte sich in sich selbst zurückgezogen, weil in ihrer
kleinen, engen Welt soeben etwas passiert war, das sie nicht einzuordnen
vermochte. Magdalena wurde plötzlich bewusst, wie klein und eng die Welt
ihrer Mutter tatsächlich war. Für sie gab es nur ihren Mann und ihre Tochter.
Und den Bibelkreis. Keinerlei Freunde kamen jemals zu Besuch, auch wurde sie
von niemandem angerufen. Genau wie Magdalena selbst. Ja, wenn sie es genau
überlegte, dann hatte sie tatsächlich noch nie einen Anruf bekommen. Außer
vielleicht von ihren Großeltern zum Geburtstag. Aber auch das war irgendwann vorbei
gewesen, nachdem ihre Mutter den Umgang mit ihrer Schwester Margret von ihrem
Mann verboten bekommen hatte. Die Großeltern hatten noch eine Weile versucht zu
vermitteln, mit dem Ergebnis, dass auch sie schließlich von Onno Fehnkamp zu
unerwünschten Personen erklärt worden waren. Mama
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