Lustakkorde - Ostfrieslandkrimi (German Edition)
muss sehr einsam sein ,
schoss es Magdalena durch den Kopf. Trotz ihrer kaum zu ertragenden
Kopfschmerzen schlug sie die Augen auf und sagte: „Es war Katharina Eckstein.
Sie ist die Mutter von Pastor Eckstein.“
„Soso“, erwiderte ihre Mutter
abwesend und schüttelte fast unmerklich den Kopf, dann gab sie sich wieder
ihren Grübeleien hin. Magdalena schluckte. Wie abgekämpft und ausgezehrt ihre
Mutter aussah! Sie war doch früher eine so hübsche Frau gewesen! Und jetzt? Der
große, rote Sessel, in dem sie saß, schien die zarte, blasse Person völlig zu
verschlucken.
„Setz dich zu mir, Mama“, sagte
Magdalena einer spontanen Eingebung folgend und streckte ihr die Hand entgegen.
Sie dachte zunächst, dass ihre Mutter sie gar nicht gehört hatte. Doch
schließlich erhob sie sich in mechanischen Bewegungen aus dem großen Sessel und
schlurfte wie ferngesteuert auf Magdalenas Bett zu. Dabei gelang es ihr kaum
die Beine zu heben. „Soso, das war also die Mutter von Pastor Eckstein“, sagte
sie, während sie schlaff auf die Bettkante niedersank.
„Ja“, nickte Magdalena. „Sie war
hier wegen Raffael Winter. Ihr Sohn trauert sehr um ihn. Sie waren ... sehr gut
befreundet.“
„Ja, aber Raffael Winter hat den
Tod verdient!“, brach es aus Gundula Fehnkamp in einem so harschen Tonfall und
so energiegeladen heraus, dass Magdalena unweigerlich zusammenfuhr.
„Aber, Mama“, rief sie
erschrocken aus und vergaß dabei für einen Moment, wie dreckig es ihr
eigentlich ging, „wie kannst du nur so etwas sagen!“
„Ich sag es ja gar nicht“,
erwiderte die Mutter und zeigte ein etwas verwirrt anmutendes Grinsen, „dein
Vater sagt es.“
„Papa? Er hat gesagt, dass
Raffael den Tod verdient hat?“ Magdalena war sich jetzt sicher, dass ihre
Mutter unter Schock stand. Nie im Leben konnte ihr Vater so etwas gesagt haben!
„Oh ja, und nicht nur einmal“,
nickte ihre Mutter, und ihr Blick wurde noch ein wenig irrer. „Weißt du, dein
Vater kann manchmal sehr wütend werden.“ Bestürzt bemerkte Magdalena, dass
ihrer Mutter bei diesen Worten Tränen in die Augen stiegen. Sie wollte etwas
erwidern, wurde aber sogleich unterbrochen. „Oh ja, es hat Onno sehr wütend
gemacht, dass diese Lehrerin behauptet hat, du würdest mit diesem Raffael
Winter ... du hättest ... dass sie behauptet ... ja, das hat ihn sehr geärgert.
Er sagte, ich würde nicht richtig auf dich aufpassen.“
„Aber, Mama, das stimmt doch gar
nicht ...“
„Ist schon gut, mein Kind.“
Gundula Fehnkamp ergriff die Hand ihrer Tochter und tätschelte sie. Ihre Finger
waren eiskalt. „Ich weiß doch, dass du mit Raffael ... ich meine, du bist eine
schöne junge Frau ...“
„Du weißt es?“ Magdalena brachte nur
noch ein Krächzen hervor.
„Ach, mein liebes Kind, ich bin
deine Mutter. Und auch ich war mal jung.“ Sie stutzte und fuhr sich mit
zittrigen Fingern übers Gesicht. Dann fuhr sie mit schief gelegtem Kopf fort:
„Und was ist eigentlich mit diesem jungen Mann, mit dem du dich jetzt häufiger
triffst?“
„A-Adrian?“ Magdalena verstand
die Welt nicht mehr. „Weiß Papa auch ...“
„Nein, Gott bewahre!“ Gundula
Fehnkamp riss erschrocken die Augen auf. „Er würde ... genauso wie mit Raffael
...“
„Genauso wie ... was meinst du
damit, Mama?“, fragte Magdalena lauernd, und sie spürte, wie ihr der kalte
Schweiß ausbrach. „Papa hat doch nicht ...“
„Oooooh, dein Vater war sooooo
wütend“, rief ihre Mutter langgezogen und starrte Magdalena nun mit
angstverzerrtem Gesicht an. „Er hat getobt, und dann ...“
„Und dann?“ Magdalenas Stimme war
nur mehr ein Flüstern. „Ist er zu ... er ist doch nicht zu Raffael gegangen?“
„Doch, ja, ich fürchte, das ist
er.“
„Und wann? Ich meine, wann war
das?“
„Hm. Raffael Winter war dann
nicht mehr.“ Gundula Fehnkamp sah plötzlich sehr zufrieden aus.
Magdalena schluckte. „Papa hat
Raffael ... umgebracht?“
„Umgebracht?“ Ihre Mutter schien
erstaunt. „Dein Vater hat Raffael Winter umgebracht?“
„Das hast du doch gerade gesagt!“
„Ich? Nein. Das habe ich nie gesagt.“
Ihre Mutter schüttelte nun mit einer solchen Vehemenz den Kopf, dass ihr die
langen, strähnig aussehenden Haare um den Kopf stoben.
Magdalena war verwirrt. „Und ...
woher weißt du von Adrian?“, fragte sie vorsichtig.
„Adrian?“
„Du hast nach dem jungen Mann
gefragt, und ich habe gesagt, er heißt Adrian.“ Magdalena bekam es mit der
Angst zu tun.
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