Lustakkorde - Ostfrieslandkrimi (German Edition)
gewachsen war. Der Kommissar schien an ihrem Verdacht zu zweifeln, aber
für Sybille war die Sache klar: Auch er war diesem jungen, schönen Mädchen
verfallen. Niemand würde solch einem engelsgleichen Geschöpf jemals etwas so
Böses zutrauen. Niemand. Außer Sybille. Denn sie hatte den wahren Charakter
dieser verzogenen Göre durchschaut. Und damit war sie auch die Einzige, die
verhindern konnte, dass Magdalena noch mehr Unheil anrichtete.
„Na, Magdalena, Sie wirken heute
Morgen ein wenig träge. Muss ja eine sehr anstrengende Nacht gewesen sein“,
sagte Sybille unvermittelt in den Klassenraum hinein, in dem zwanzig
Schülerinnen und Schüler in ihrem Auftrag damit beschäftig waren, sich
schriftlich Gedanken über die lyrischen Errungenschaften des 19. Jahrhunderts
zu machen. Magdalena errötete bis unter die Haarwurzeln, als sich plötzlich rund
zwanzig Köpfe zu ihr herumdrehten und sie neugierig anstarrten. „Überhaupt hört
man ja in letzter Zeit so einiges über Sie und ...“ Sybille legte eine kurze
Pause ein und fuhr dann in unverkennbar süffisantem Tonfall fort „...Ihre
bevorzugte Freizeitbeschäftigung.“
Vereinzelt war auf diese
Bemerkung hin Gelächter zu vernehmen, die meisten Schüler aber schauten
betreten zu Boden oder gaben vor, sich nach wie vor auf die ihnen gestellte
Aufgabe zu konzentrieren.
„Schlampe“, sagte plötzlich eine
dunkle Stimme in den Raum hinein.
Magdalena zuckte wie unter
Peitschenhieben zusammen. Sie hatte die Stimme erkannt. Es war die von Renke.
Warum sagte er so was?
„So deutlich wollte ich es gar
nicht ausdrücken“, erwiderte Sybille Ravensburger und nickte Renke anerkennend
zu. Das klappte ja wie am Schnürchen! Jetzt wandten sich sogar schon Magdalenas
Freunde in aller Öffentlichkeit gegen sie.
Im Raum erhob sich über die Bänke
hinweg heftiges Getuschel, bis Renke sich erneut zu Wort meldete. „Ich meinte
nicht Magdalena“, sagte er ruhig, „ich meinte Sie, Frau Ravensburger.“
Augenblicklich herrschte im Raum
tödliche Stille. Es war lediglich noch das leise Klicken des Kugelschreibers zu
hören, dessen Mine Renke in monotoner Art und Weise aus- und wieder einfuhr.
Nun war es an der Lehrerin,
geschockt dazusitzen und das ungehemmte Gelächter zu ertragen, das plötzlich
das ganze Klassenzimmer auszufüllen schien. Sybille schnappte empört nach Luft
und durchforstete krampfhaft ihr Hirn nach einer passenden Erwiderung.
Unmöglich konnte sie zulassen, dass einer ihrer Schüler so mit ihr umsprang!
„Das ist ja ... das ist ja“,
setzte sie stammelnd zu einer Erwiderung an, als es plötzlich an der Tür
klopfte und zu aller Überraschung Hauptkommissar David Büttner den Raum betrat,
gefolgt von seinem Assistenten Sebastian Hasenkrug.
„Einen schönen guten Morgen“,
sagte Büttner in das noch immer anhaltende Gelächter hinein, „ich bin
Hauptkommissar Büttner und ich freue mich sehr, dass Sie an einem Montagmorgen so
ausgesprochen guter Laune zu sein scheinen.“ Augenblicklich breitete sich
Stille im Raum aus. Büttner ließ seinen Blick über die Schüler schweifen, bis
seine Augen an Magdalena haften blieben. „Frau Fehnkamp“, sagte er an sie
gewandt, „ich würde Sie gerne sprechen. Wenn Sie bitte mit aufs Präsidium
kommen.“
Während Magdalena erbleichte,
setzte im Klassenraum aufgeregtes Getuschel ein. Das war ja mal spannend! Ganz
gewiss war es noch nie vorgekommen, dass eine Schülerin so mir nichts, dir
nichts von der Polizei aus dem Unterricht geholt wurde! Musste ja ne ernste
Sache sein!
„Und zu Ihrer Beruhigung“, fügte
Büttner mit einem entschuldigenden Lächeln in Magdalenas Richtung hinzu, „geht
es hier nicht um eine Verhaftung, sondern lediglich um eine dringende
Zeugenbefragung, die keinen Aufschub duldet.“
Sybille Ravensburger, die langsam
wieder zu sich fand, nickte zufrieden. Nun hatte dieser Kommissar Magdalena also
doch in Verdacht, ihr den bitterbösen Streich auf Facebook gespielt zu haben.
Geschah ihr ganz recht, der Kleinen. Zufrieden vor sich hin lächelnd, bemerkte
sie nicht, dass inzwischen sie im Fokus der beiden Polizisten stand. Umso mehr
erschrak sie, als jetzt Büttners Stimme zu ihr sagte: „Und auch Sie würden wir
nachher gerne auf dem Präsidium begrüßen, Frau Rabensberg.“
„Ra-Ravensburger“, stammelte sie
verunsichert.
„Die können Sie gleich da
behalten“, rief Renke in den Raum hinein. „Unglaublich, was sie sich hier mit
ihren Schülern erlaubt. Zehn Jahre
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