Lustakkorde - Ostfrieslandkrimi (German Edition)
erholte.
„Keine Ahnung. Müssen wir
abwarten.“
„Aber warum will er nicht, dass
wir die Polizei rufen?“
Sören und Ella warfen sich einen
langen Blick zu, dann sagte Ella: „Respektiere das einfach. Er wird es uns dann
schon sagen.“ Es war unüberhörbar, dass ihre Stimme einen warnenden Unterton
enthielt. Also gaben sich Magdalena und Adrian erstmal mit dieser Antwort
zufrieden. Sie wollten hier nichts eskalieren lassen. Ella schien von
Magdalenas Anwesenheit sowieso alles andere als begeistert zu sein, da machte
es keinen Sinn, sie unnötig zu provozieren.
„Du willst also bei uns
einziehen“, wandte sich Sören an Magdalena.
„Ja. Ben meint, hier wäre noch
ein Zimmer frei.“
„Stimmt“, nickte Sören. „Ärger
mit den Alten?“
Magdalena schluckte, und ihre
Augen füllten sich mit Tränen.
„Ihre Mutter liegt schwer
verletzt im Krankenhaus und ihr Vater ... nun, sie kann jedenfalls gerade nicht
nach Hause“, antwortete Adrian an ihrer Stelle.
„Hat sich was mit Geheimnissen“,
nuschelte Sören und biss in eine Banane, die er sich soeben geschält hatte.
„Ja, alles
ne abgefahrene Geschichte, total gagga“, nickte Ella und zog eine Grimasse. Bei
diesen Worten sahen sich alle an und brachen in lautes Gelächter aus. Doch
auch, wenn dieses Gelächter in diesem Moment ein Stück weit befreiend wirkte,
so hatte es doch für alle einen deutlich bitteren Beigeschmack.
In dieser Nacht lag Magdalena
lange wach. Ihre Gedanken kreisten in ihrem Kopf wie eine nie enden wollende
Achterbahn und sie spürte, wie ganz langsam ein Migräneanfall in ihr herauf
kroch. Dieser Tag, wie auch all die letzten, stürzten sie in eine heillose
Verwirrung. So sehr sie sich auch bemühte, so bekam sie doch zu diesem
Zeitpunkt rein gar nichts mehr sortiert. Es war einfach zu viel. Ihr ganzes
bisheriges, vermeintlich behütetes Leben war von einem Tag auf den anderen erst
durch den lebenden, dann durch den toten Raffael auf den Kopf gestellt worden.
So viele unfassbare Dinge waren seither passiert, und sie hatte nicht die Spur
einer Ahnung, wie es jetzt weitergehen sollte. Und das alles kurz vor ihrem
Abitur. Wenn es so weiterging, würde sie selbst das nicht mehr schaffen; viel
zu groß war die Ablenkung, als dass sie derzeit daran auch nur einen Gedanken hätte
verschwenden können. Da war es gut, dass in der übernächsten Woche die
Osterferien anfingen. Vielleicht hatte sich ja danach alles ein klein wenig
normalisiert. Das größte Problem aber bereiteten ihr die eigenen Eltern. Ihre
Mutter sollte von der Kellertreppe gefallen sein? Das war doch lachhaft! Es war
doch sonnenklar, was zuhause passiert war! Als ihr Vater bemerkt hatte, dass
Magdalena ausgezogen war, hatte er seine Wut an seiner Frau ausgelassen. Wie
immer. Doch wie sollte sie, Magdalena, mit diesem Wissen umgehen? Sie konnte
doch schließlich nicht zur Polizei gehen und ihren eigenen Vater anzeigen,
oder? Und was überhaupt würde ihr Vater als Nächstes machen? Würde er seine
Tochter suchen? Würde er auch sie verprügeln, wenn er sie gefunden hatte? Oder
würde sich seine Wut gar gegen Adrian richten, der ihr geholfen hatte, von
zuhause auszuziehen? Auch war immer noch nicht geklärt, wer sich den schlechten
Scherz mit dem Rekorder vor ihrem Fenster erlaubt hatte. Ihr Vater hatte sich
darum kümmern wollen. Natürlich. Er hatte sich immer um alles in Magdalenas
Leben kümmern wollen. Und was, um Himmels willen, war eigentlich in Pastor
Eckstein gefahren, dass er den armen Ben so zugerichtet hatte? Waren denn jetzt
alle verrückt geworden? Magdalenas Kopfschmerzen wurden stärker. Stöhnend
fasste sie sich an die Schläfen. Gerade wollte sie aufstehen, um im Badezimmer
nach Schmerzmitteln zu schauen, als sie hörte, wie ihre Zimmertür leise
geöffnet wurde. Und noch ehe sie sich’s versah, hob jemand ihre Bettdecke an
und legte sich neben sie. Starr vor Angst setzte sie zu einem gellenden Schrei an.
Doch weiter kam sie nicht. „Pssssst“, machte die Person in ihrem Bett, und
schon im nächsten Moment spürte sie eine warme Hand auf ihrem Mund. „Nicht
schreien, Lena. Ich tu dir nichts!“
„Ella“, fragte Magdalena
verwirrt, „bist du’s?“ Ihr Herz fing wie wild an zu hämmern, sie wähnte sich in
einem schlechten Traum.
„Pssst“, machte Ella wieder und
zog langsam ihre Hand zurück. Gerade, als Magdalena wieder zum Sprechen
ansetzte, spürte sie zu ihrem Entsetzen Ellas weiche Lippen auf den ihren. Von
diesem Übergriff
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