Lustnächte
vollkommen zurück.“
Beatrix war dem Gespräch aufmerksam gefolgt und stellte jetzt genau die Frage, die auch ihm auf der Zunge gelegen hatte.
„Wie kommt es aber, Madame, dass Marie, wenn ihr damals schon das gesamte Vermögen gehörte, Jahre später so arm war, dass sie die Liegenschaften verkaufen musste? Gab sie so viel Geld aus?“
Die Antwort erschütterte ihn.
„Ausgegeben?“ Madame Junot lachte laut. „Verbrannt hat sie es.“
Eine Stunde später diskutierte er mit Beatrix noch immer über Madame Junots Aussage. An ihrem Wahrheitsgehalt konnte esallerdings wenig Zweifel geben. Marie Dénarnaud war 1945, kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges, als Kollaborateurin festgenommen und für mehrere Wochen interniert worden. Sie hatte sich mit einem jungen deutschen Schriftsteller angefreundet, Otto Rahn. Und letztendlich hatte Marie wohl auf dessen Bitte hin einige SS-Offiziere bei sich logieren lassen. Wahrscheinlich eher um der Freundschaft willen als aus staatsfeindlichen Gründen. Am Ende hatte man ihr nichts nachweisen können und sie war nach Rennes-le-Château zurückgekehrt. Als nach dem Krieg die Währungsreform kam, mussten alte Francs in neue umgetauscht werden. Allerdings war ein Herkunftsnachweis für das Geld notwendig. Weil Marie aber nicht gewillt war, Angaben zu machen, wurde es ihr auch nicht umgetauscht. Wütend darüber hatte sie ganze Bündel alter Francnoten in ihrem Garten verbrannt. Unter Mithilfe von Madame Junots Mutter.
„Warum um alles in der Welt hat sie das getan“, fragte Beatrix, als sie Hand in Hand zur Villa Béthania gingen, wo sie zu Abend essen wollten. Pierre, schon ganz in Gedanken bei den unzüchtigen Vergnügungen, die er für den Abend plante, hörte nur mit halbem Ohr hin. Die Erinnerung an die Liebesspiele von letzter Nacht beschäftigte ihn im Moment weitaus mehr als verbrannte Geldbündel und sein Körper reagierte ziemlich heftig auf Beatrix’ Nähe. Vielleicht hätte man das Abendessen einfach zugunsten eines Schäferstündchens ausfallen lassen sollen. Satt musste sie längst sein, nachdem sie noch die letzten Kekse aus Madame Junots nostalgischer Kristallschüssel geangelt hatte. Er ließ sie los und platzierte seine Hand auf ihrem Hinterteil. Intensiv spürte er jeden Muskel unter ihrem dünnen Kleid, als sie weiterging. Ob sie umkehren sollten? Die Beantwortung dieser Frage blieb ihm erspart. Unwirsch schüttelte Beatrix seine Hand ab.
„Antworte mir.“ Ihr Ton ließ keinen Zweifel. Die kleine Katze schärfte mal wieder die Krallen. Na schön. Aufgeschoben war nicht aufgehoben. Seufzend riss er sich von seinen sündhaften Vorstellungen los.
„Sie hat es verbrannt, weil die Banken es ihr nicht umgetauscht haben. Und sie haben es ihr nicht umgetauscht, weil sie nicht gesagt hat, woher sie es hat. Also wissen wir jetzt, warum sie nach fast dreißig Jahren gezwungen war, ihre Grundstücke und Häuser zu verkaufen. Aber das ist nicht der springende Punkt.“
„Was dann?“
„Ich bin sicher, mein Liebling, wenn du darüber nachdenken würdest, kämest du auch darauf.“
„Sag es mir einfach.“
Er blieb stehen, vergrub die Hände in den Hosentaschen und schaute sie an.
„Ich verstehe“, sagte Beatrix. „Informationen gibt es nicht umsonst.“
Er zuckte die Schultern.
„Informationen hab ich nicht. Nur Mutmaßungen. Die sind etwas preiswerter zu haben.“
„Also ein Kuss?“
„Dafür gibt’s höchstens einen kleinen Denkanstoß. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass wir mitten auf der Hauptstraße stehen, kannst du den Rest anschreiben lassen.“
„Zu den üblichen Wucherzinsen. Ich weiß.“
„Bemüh dich nicht. Deine Neugier ist nicht zu übersehen.“ Er stand immer noch abwartend mitten auf der Fahrbahn.
„Ich halte es für psychologisch vollkommen falsch, mich von dir erpressen zu lassen, aber solange du dich in dieser Währung bezahlen lässt …“ Beatrix machte einen Schritt auf ihn zu und er nutzte die Gelegenheit, sie in die Arme zu ziehen.
„Höchste Zeit, meine Preise zu erhöhen“, raunte er an ihrem Ohr. „Du wirst die halbe Nacht zu tun haben, deine Schulden zu bezahlen.“
Die Vorfreude war immens. Er küsste sie sehr lange und sehr zärtlich.
So lange, dass der Mann im dunklen Anzug, der sie schon beobachtete, seit sie das Haus verlassen hatten, angewidert das Gesicht verzog. Aber es galt, einen Auftrag auszuführen. Also wartete er ab. Solange sie mit sich selbst beschäftigt waren, würde er ihnen kaum
Weitere Kostenlose Bücher