Lustnächte
angenommen, dass der Templerorden sich seinerzeit aus einem anderen – geheimen – Orden gegründet hat. Dass es quasi einen Orden im Orden gab, von dem nicht einmal alle Mitglieder wussten.“
„Darüber hättest du nicht lange nachdenken müssen. Wenn du gefragt hättest, hätte ich es dir gesagt.“
Immer noch schnippisch.
„Fein. Dann sag mir, was du darüber weißt.“
Er schenkte ihr Wein nach.
„Du redest vom Orden von Sion. Ihm gehörten nur relativ wenige Templer an, die alle ein Schweigegelöbnis abgelegt hatten. Ihre Zusammenkünfte fanden immer im Geheimen statt, meist unter dem Deckmantel anderer Festlichkeiten. Jedes der Mitglieder des Ordens von Sion entstammte einer Verbindung, die sie ‚Familie‘ nannten. Dieser Verband soll auf das erste nachchristliche Jahrhundert zurückgehen.“
„Schlaues Mädchen. Und weiter?“
„Die Begründer dieses Clans hatten sich 79 nach Christus, genauer gesagt nach der Zerstörung Jerusalems durch die Römer, in Südgallien niedergelassen. Im heutigen Languedoc. Ihr größtes Geheimnis waren ihre jüdischen Wurzeln. Man hätte sie kaum in Frieden gelassen, wenn man davon gewusst hätte. Äußerlich passten sie sich dem örtlichen Gegebenheiten und dem Christentum an. Aber das Geheimnis um ihre jüdischen Wurzeln gaben sie weiter. Nur ein Mann aus jeder Familie und jeder Generation wurde als Mitglied in diesen Orden aufgenommen. Aber was hat das mit unserer Schatzsuche zu tun?“
„Überleg doch mal.“ Er faltete umständlich seine Serviette zusammen und schob den Teller mit den sterblichen Überresten des Hummers zur Seite.
„Etwa tausend Jahre später gründen neun Ritter – alle sind namentlich bekannt und stammen aus dem Languedoc –“, er hob den Zeigefinger, um die Wichtigkeit dieser Aussage zu betonen, „einen Orden. Nach außen hin zu dem Zweck, christliche Pilger zu beschützen. Was in meinen Augen ziemlicher Unsinn ist. Was wollten neun Ritter, egal, wie gut sie ihren Job auch immer machten, gegen die Heere der Muselmanen und gegen all die Räuberbanden vor Ort ausrichten? Der Zweck dieser Ordensgründung muss ein anderer – geheimer – gewesen sein. Und warum errichteten sie ihr Hauptquartier gerade auf dem Tempelberg und nirgends sonst, na?“
Beatrix hatte inzwischen ebenfalls ihren Hauptgang beendet.
„Sag du es mir.“
„Vor der Zerstörung Jerusalems durch den Feldherrn Titus stand dort der Tempel Salomons.“
„Was bis heute nicht bewiesen ist.“
„Schon. Aber weiter: Dieser Tempel war kein Gotteshaus, wie wir es heute kennen. Es gab nur diesen einen Tempel. Nach altem jüdischem Glauben wohnte dort ihr Gott Jahwe, mitten unter seinem auserwählten Volk. Und so wurde hier wohl alles gehortet, was irgendeinen Wert für die jüdische Gemeinde hatte. Kunstgegenstände, Schriften und nach Darstellung der Thora sogar die Bundeslade, die die Steintafeln enthalten haben soll, die Gott Moses beim Auszug aus Ägypten diktiert hat.“
„Die aber archäologisch ebenfalls nie nachgewiesen wurde.“
„Nein, genauso wenig wie bewiesen ist, dass die Templer Ausgrabungen auf dem Tempelberg durchführten. Aber ‚nicht bewiesen‘ ist nicht gleichbedeutend mit ‚nicht wahr‘. Die Möglichkeit, dass es so war, besteht durchaus. Also weiter im Text: Nach derZerstörung Jerusalems bringen sich überlebende Juden in Südgallien in Sicherheit. Sie wissen, was ihr Tempel enthalten hat, bevor er zerstört wurde. Und sie müssen gewusst haben, dass es so sicher dort verwahrt war, dass es der vorhergehenden Plünderung nicht anheimgefallen ist. Ich denke, das ist genau das Geheimnis, das sie von Generation zu Generation weitergegeben haben. Innerhalb dieses Ordens von Sion. Tausend Jahre später kehren neun ihrer Mitglieder ins Heilige Land zurück. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass Männer dieses Ordens, die allesamt Ritter aus einflussreichen Familien waren, Papst Urban erst den Floh ins Ohr gesetzt haben, das Heilige Land von den Ungläubigen zu befreien und damit den ersten Kreuzzug mit inszeniert haben. So konnten sie ohne Aufsehen ins Heilige Land gelangen. Und zwar gleich mit einer anständigen Streitmacht im Rücken. Nachdem sie erst einmal dort waren, riefen sie diese Schutztruppe ins Leben und etablierten sich auf dem Tempelberg. Was taten sie jahrelang allein dort? Genau genommen zwischen 1119, als sie sich gründeten, und 1128. In diesen neun Jahren hatten sie gelobt, keine neuen Mitglieder aufzunehmen. Warum nicht? Sie
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