Lustnächte
warf Pierre ein.
„Wie meinst du das?“
„Denkt doch mal nach. Der Bischof hat ihn mit seinen Pergamenten nach Paris zu diesen Leuten geschickt. Die haben ihn mit einem Linguisten aus ihren Reihen zusammengebracht, der die Dokumente entschlüsseln konnte. Als Saunière den Schatz tatsächlich findet, wollen seine Helfershelfer natürlich ihren Teil haben. Könnte ich mir jedenfalls denken. Also setzten sie zu diesem Zweck eine schöne, berühmte Frau auf ihn an. Emma Calve. Allerdings scheint sie nicht allzu viel von ihrem Fach verstanden zu haben. Saunière behielt das Geld für sich und warf es mit vollen Händen zum Fenster hinaus. Und weil sie nichts kriegen konnten, haben sie ihn ermordet.“
„Saunière starb aber an einem Schlaganfall“, erinnerte Beatrix. „Ja. Und zwar am 17. Januar“, entgegnete Pierre sarkastisch. „Erst fünf Tage, nachdem die Dénarnaud einen Sarg für ihn bestellt hatte. Vielleicht steckte sie ja mit denen unter einer Decke. Wir haben bereits darüber gesprochen, wie leicht man einen Mord als natürliche Todesursache hinstellen kann.“
„Und was bitte hat das Ganze mit dem 17. Januar zu tun?“
„Das ist der Gedenktag des Heiligen Sulpice“, erklärte Pierre selbstzufrieden.
„Und?“
„Dieser Abbé Bieil, der Saunière mit dem Linguisten zusammengebracht hat, war Generalsuperior von St. Sulpice. Als Saunière starb, dürfte allen Eingeweihten klargewesen sein, dass hier ein Exempel statuiert worden war.“
„Mir kommt noch ein ganz anderer Gedanke. Denkt mal an dieses Pariser Konto, von dem Boudet das Geld überwiesen wurde, das er an Saunière und den Bischof weiterleitete. Könnte es nicht diesemZirkel gehört haben? Unter dem Namen der Calve?“
„Béatrice, mein Schatz, ich neige zu dem hässlichen Verdacht, dass dieses Konto Saunière selbst gehört hat. Warum sollte er nicht in der Hauptstadt ein Konto unter falschem Namen eröffnet haben, um seine Spuren zu verwischen. Zum Beispiel unter dem seiner Geliebten. Und von dort kam es über Boudet zu ihm zurück. Und zu Bischof Billard, damit dieser schwieg.“
„Aber …“
„Nichts aber. Darüber hinaus wundert es mich sehr, mein lieber Jean-Luc, wie schnell du zu diesen Leuten Kontakt aufnehmen konntest und wie bereitwillig sie dir, einem vollkommen Fremden, Rede und Antwort standen zu diesem Thema.“
Pierre sah ihn mit hochgezogenen Brauen an. Und mit einem Schlag wusste er, dass er einen schwerwiegenden Fehler gemacht hatte. Sylvie! Wirklich ein seltsamer Zufall, dass er sie getroffen hatte. Aber er hatte noch etwas weitaus Blöderes gemacht. Und das war nur auszubügeln, indem sie sich beeilten, seine weiteren Erkenntnisse in die Tat umzusetzen. Jean Luc hatte in dem Buch von Abbé Boudet eine wirklich wichtige Entdeckung gemacht. Und dann den Fehler begangen, bei der ach so reizenden und willigen Sylvie damit anzugeben, in der Annahme, sie könne sowieso nichts damit anfangen. Merde! „Pierre?“
„Was ist?“
„Ich denke, wir beide müssen morgen noch einmal in diesen unterirdischen Tresor.“
„Wozu?“
„Dieses Buch von Abbé Boudet …“
„Was ist damit?“
„Zwischen zwei zusammengeklebten Seiten steckte eine Zeichnung …“
Beatrix und Pierre horchten auf.
„Rede schon.“
„Diese Zeichnung zeigt eindeutig diese unterirdische Anlage, die ihr entdeckt habt.“
„Aber das bedeutet nur, dass Abbé Boudet und Saunière davon wussten.“
„Es gibt da noch weitere Gänge …“
„Das wissen wir ebenfalls. Pierre und ich waren heute auf Schloss Hautpoul. Monsieur Boirou, der jetzige Besitzer, zeigte uns, wie man vom Schlosskeller aus ebenfalls dorthin kommt.“
„Nein, das meine ich nicht“, sagte Jean-Luc langsam. „Es ist vielmehr so … dass …“
„Nun rede endlich. Oder lass es von mir aus auch sein. Aber hör auf mit deiner Geheimniskrämerei. Das nervt.“
„Erinnert ihr euch an diesen Raum mit dem Brunnen? Unter dem Brunnen geht es weiter. Dort gibt es einen weiteren Raum, den man, wie es aussieht, nur über den Brunnenschacht erreicht. Wir sollten uns in Carcassonne eine entsprechende Ausrüstung besorgen und dort hinuntergehen.“
Und in Gedanken an Sylvie setzte er hinzu: „So schnell wie möglich.“
In dieser Nacht war Pierre noch anhänglicher als sonst. Das lag nicht nur an Jean-Lucs leidiger Anwesenheit. Der hatte im Moment genug zu tun mit seinem unterirdischen Brunnen. Aber was war, wenn sie morgen dort fanden, wonach sie suchten? Die
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