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Lustnebel

Lustnebel

Titel: Lustnebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivy Paul
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ganze Weile vor sich hin, ehe sie vollends erwachte.
    Ausgeruht rekelte sie sich.
    Ein Blick aus dem Fenster zeigte ihr, dass der Himmel zwar nebelgrau, doch klar war. Kein Wölkchen am Horizont, und die Spätherbstsonne warf ihr gedämpftes Licht in den Raum. Rowena schwang ihre Füße aus dem Bett und schlenderte zum Fenster.
    Bunt gefleckt breitete sich die Landschaft vor ihr aus. Sie verspürte das unbändige Verlangen nach einem ausgedehnten Spaziergang über die Felder und Wiesen der Umgebung. Seufzend dachte sie nach. Chayton hatte ihr verboten, außer Haus zu gehen, doch was sollte dort passieren? Es wäre keine Menschenseele in der Nähe. Sie setzte sich an ihren Schminktisch und betrachtete die Frau, die ihr aus dem Spiegel entgegenblickte. Der kastanienrote Nachtzopf, der leicht zerzaust über ihre Schulter baumelte und ihre Hüfte streifte, harmonierte mit ihrer milchweißen, klaren Haut. Ihre hellblauen Augen blickten nachdenklich aus dem Spiegel heraus. Rowena löste den Zopf und griff nach der Bürste, um ihr Haar zu entwirren. Sie verteilte duftende Lotion auf ihrer Gesichtshaut und dem Hals, als Helen, die Zofe hereinkam.
    Das Mädchen trug ein Gewand über ihrem Arm. „Guten Morgen, Mylady!“ Sie knickste und hängte das Kleid an einen Haken an der Wand.
    Rowena warf einen kurzen Blick auf die Robe, die ihr Helen anbot, und schüttelte den Kopf. „Nein, Helen, bring mir das Kostüm aus dem festen Tweedstoff“, wies sie ihr Dienstmädchen an.
    „Mylady, das Kostüm ist für ausgedehnte Spaziergänge geeigneter. Ihr solltet ein anderes Kleid wählen, wenn Euch dieses nicht zusagt.“
    Rowena nahm die Überreste der Hautpflege mit einem Tuch ab und wandte sich erst dann Helen zu.
    „Das ist mir durchaus bewusst“, erklärte sie fest.
    Helen blickte verschreckt. „Euer Gemahl wünscht, dass Ihr bis zu seiner Heimkehr im Haus verbleibt“, hielt sie entgegen.
    Rowena reckte ihr Kinn störrisch in die Luft. Sie hatte sich jetzt eine Woche lang im Haus aufgehalten. Natürlich nur wegen des Wetters. Doch damit war nun Schluss. Sie brauchte dringend Bewegung, und Chayton kehrte ohnehin an diesem Tag zurück. Sofern der gestrige Brief noch aktuell war. „Dies ist mir bekannt. Seine Lordschaft muss lernen, dass er eine Frau und keinen Hund hat, den er nach Belieben einsperren kann“, beharrte sie. Sie wandte sich ihrer Morgentoilette zu, um Helen zu zeigen, dass für sie das Thema erledigt war, und tatsächlich kehrte die Zofe kurz darauf mit dem Gewünschten zurück.
     
    Rowena beendete eben ihr Frühstück, als Cain mit einer Visitenkarte zurückkehrte. „Mylady, in der Halle steht Besuch für Euch. Sie ließ sich nicht abweisen.“ Cains Miene verhieß nichts Gutes, doch ein Blick auf die Karte erklärte seine Stimmung.
    „Alice!“, rief Rowena überrascht aus. Sollte sie die Blondine empfangen? Nicht wegen des Verbots Chaytons, sondern wegen des Verdachts, dass Alice und ihr Mann Teilnehmer der Hellfire-Club -Orgien waren. Vielleicht gar im inneren Kreis, den es gewiss auch im verruchten Hellfire Club gab.
    Plötzlich entzündete sich die Flamme einer Idee in Rowena. Wenn Alice und Wilson etwas wussten, konnten sie Rowena Hinweise auf die wahren Umstände von Claires Tod geben. Nachdenklich drehte sie die Karte zwischen den Händen.
    „Mylady?“ Cain beugte sich besorgt vor. „Was soll ich Mrs. Cuthbert ausrichten? Ich schicke sie fort.“
    Rowena schreckte hoch und schüttelte den Kopf. Cains Gesichtszüge wirkten angespannt.
    „Nein, ich wollte ohnehin spazieren gehen. Vielleicht möchte Mrs. Cuthbert mich begleiten.“
    Cains Gesichtsausdruck verdüsterte sich. Er verbeugte sich flüchtig. „Sehr wohl, Mylady.“
    Er ging zur Tür, und ehe er die Klinke herabdrückte, wandte er sich um. Rowena musterte ihn fragend. Einen kurzen Moment fixierten sie sich, dann brach Cain den Blickkontakt ab und verließ den Salon.
    Rowena wusste zu genau, was Cain auf der Seele lag. Er hielt Alice für eine Lügnerin, vielleicht sogar für eine Mörderin. Und Chayton, den Cain verehrte, hatte Rowenas Verbleib im Haus angeordnet. Eine Anweisung, die sie wissentlich ignorierte. Sie straffte sich und erhob sich aus ihrem Stuhl. Ein letztes Mal strich sie über ihre Frisur, zupfte an ihrem Rock und brachte ihre Kleider in vorzeigbaren Zustand.
    Sie holte tief Luft und ging zu Alice.
     
    „Rowena!“, zwitscherte die herbe Blondine, als sie Rowenas gewahr wurde. Zum ersten Mal bemerkte sie das berechnende

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