Lustnebel
schuldbewusste Herzklopfen nieder.
Als sie im Nebenraum im Ladengeschäft ihrer Modistin wartete, hatte sie den Traum schon fast vergessen. Sie stand hinter der Tür und bewunderte eine Auswahl feiner Gewebe, mit denen sie ihr Hochzeitsgewand verzieren lassen wollte.
Die beiden Damen, die nun eintraten und vor der Tür stehen blieben, konnten sie nicht sehen.
„Habt Ihr gehört, dass die junge Lady Rowena demnächst heiraten wird?“ Die Frau besaß eine nasale Stimme, die Rowena bekannt vorkam, die sie jedoch nicht zuordnen konnte.
„Man erzählt sich, dass sie zur Ehe gezwungen wurde“, behauptete die andere Dame.
„Woher habt Ihr denn diese Information?“ Die Näselnde klang überrascht.
Rowena erstarrte. Sie hielt den Atem an.
„Turnbulls Dienstmädchen schäkert mit meinem Kutscher. Sie verriet ihm, Lady Rowena hätte sich mit dem Wilden in Mr. Turnbulls Arbeitszimmer vergnügt“, flüsterte die Dame mit kaum verhohlener Sensationsgier.
Rowena presste ihre Hand auf den Mund.
„Einem Wilden?“ Die Näselnde schien verstört.
„Clemency!“, rief die Klatschtante aus. „Chayton Bannister, der Erbe des alten Marquess of Windermere. Der neue Marquess stammt aus den Staaten. Das einzige Tröpfchen anständigen Blutes, das in dem Indianer fließt, ist das Gerald Bannisters. Er war ein entfernter Verwandter des alten Lord of Windermere. Wie man sich erzählt, hat Gerald Bannister drüben bei den Wilden gelebt und eine von ihnen zur Gemahlin genommen. Der neue Lord ist nur zu einem Viertel Engländer.“ Die Dame lachte, befriedigt darüber, mehr zu wissen als Clemency. „Selbst ohne die Umstände, die zur Heirat mit Lady Rowena führen, ist das Ganze einfach köstlich!“
Clemency schnaubte. „Du bist bösartig, Prudence!“, stellte sie fest.
Rowena zögerte. In ihren Ohren rauschte es, und der saure Geschmack, der aus ihrer Kehle emporstieg, verhieß nichts Gutes. Sie unterdrückte die aufsteigenden Tränen. Es wurde alles zu viel. Der Hellfire Club, Claires Ermordung, die Verlobung mit einem Wildfremden und jetzt das. Sie schloss einen Moment lang die Augen. Atmete mehrmals tief ein und aus und entschied dann, herauszutreten und den missgünstigen Damen gegenüberzutreten.
Sie sammelte sich und hörte, wie die beiden Frauen in die andere Richtung liefen. Mrs. Carrigan, die Schneiderin, eilte herbei.
„Lady Rowena, seid Ihr fündig geworden?“
Rowena wedelte mit der Hand. „Ich kann mich nicht entscheiden“, log sie geistesabwesend. Sie räusperte sich und riss sich zusammen. „Empfehlt mir etwas“, schlug sie der Modistin vor.
Die Augen der Frau begannen zu leuchten. Sie griff nach einem zartgelben Stoff, fein wie Spinnweben. „Ich würde Euch zu diesem hier raten. Es harmoniert mit dem dunklen Stoff des Kleides und Eurem mahagonibraunen Haar. Ihr werdet hinreißend aussehen! Euer Bräutigam wird begeistert sein.“
Rowena schenkte der Frau ein müdes Lächeln. Sie war sich nicht sicher, ob es Chayton Bannister interessiert hätte, wenn sie in Lumpen zur Hochzeit erschienen wäre.
„Hervorragend, liebe Mrs. Carrigan, dann nehme ich also diesen.“
Die kleine Frau nickte mit funkelnden Augen und knickste. „Sehr wohl, Mylady.“
Angesichts dieser Begeisterung argwöhnte Rowena, dass sie soeben den teuersten Stoff des Ladens geordert hatte.
Kapitel 3
Wenn man schnell vorankommen will, muss man allein gehen.
Wenn man weit kommen will, muss man zusammen gehen.
Indianische Weisheit
Es war eine seltsame Trauung gewesen. Die anwesenden Gäste schienen nur darauf zu lauern, dass ein neuerlicher Skandal ihren Tag würzte. Viscount Farewell, Rowenas hartnäckigster Verehrer der letzten Monate, hatte sich in der letzten Reihe eingefunden und beobachtete die Szene mit zusammengekniffenen Argusaugen. Rowena ahnte, dass er äußerst ungehalten sein musste, dass sie ihm entgangen war. Im Vorübergehen dachte sie, wie ungemein glücklich sie sich schätzen konnte, nicht seine Frau zu werden. Er war riesig, mit schütterem, brandrotem Haar und einem Gesicht wie geformt von einem volltrunkenen Gott. Der Gedanke, dass er sich zwischen ihren nackten Schenkeln vergnügte, rief Brechreiz in Rowena hervor. Sie warf Chayton einen Blick zu. In seinem Gehrock und dem Hemd mit hohen Kragen wirkte er hoch elegant, doch zugleich exotischer als je zuvor. Sie fühlte kribbelnde Hitze über ihr Dekolleté den Hals emporwandern, als sie Chaytons sinnliche Lippen betrachtete. Die
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