Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lustnebel

Lustnebel

Titel: Lustnebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivy Paul
Vom Netzwerk:
Gemeinsamkeiten?“, überlegte Wilson laut. „Etwas anderes als die Haarfarbe.“
    „Wilson!“ Alice fixierte ihren Mann wütend, und erneut hatte Rowena die Empfindung, dass Alice diejenige war, die in dieser Beziehung der bestimmende Part war.
    Rowena erhob sich. „Ich habe Eure Gastfreundschaft lange genug in Anspruch genommen, Alice. Es wird Zeit, mich auf den Heimweg zu machen“, verkündete sie.
    „Oh nein“, Alice stand ebenfalls auf. „Wir vertreiben Euch doch nicht etwa? Vergebt Wilson seinen morbiden Sinn für Unterhaltung!“
    Sie verneinte. „Daran liegt es nicht. Zu Hause wartet noch einiges an Arbeit auf mich.“ Sie wandte sich an Wilson, der aufgestanden war und sich mit einem viel zu intensiven Handkuss verabschiedete. Wieder verkniff sie sich nur mit Mühe den Wunsch, ihre Hand abzuwischen. Sie nickte Wilson freundlich zu und folgte Alice in den Flur hinaus. Dort half ihr die Blondine in das Cape.
    „Ich hoffe, Ihr besucht uns bald wieder. Ich fürchte fast, es kann einsam sein, allein unter all dem Landvolk. Ich finde Euch so überaus sympathisch!“, plapperte Alice drauflos.
    Rowena lächelte Alice an. „Vielleicht kommt Ihr mich einmal besuchen, Alice. Wenn die Renovierungsarbeiten auf Barnard Hall abgeschlossen sind“, meinte sie, in Gedanken schon zur Tür hinaus.
    Alice Miene erhellte sich.
    Froh, das Haus zu verlassen, marschierte Rowena die Einfahrt hoch.
    „Haltet Euch links, Rowena! Der Weg führt zwar am Moor entlang, doch er ist nicht so beschwerlich wie die andere Seite.“
    Rowena bedankte sich und winkte ihr noch einmal zu, dann eilte sie auf die Schotterstraße.
    Einzelne Sonnenstreifen trafen auf den dunkelgrauen Weg. Rechts und links des Wegs gab es das harte braune Gras, das den morastigen Boden verriet. Rowena verließ die Straße und schlug einen Bogen um das Haus der Cuthberts. Ihr Fußmarsch zurück nach Barnard Hall würde sie ein weiteres Mal querfeldein führen. Sie zog die Einsamkeit der Natur der Gefahr, mit einer rasenden Kutsche oder galoppierenden Pferden zu kollidieren, bei Weitem vor. Kurz entschlossen folgte sie Alices Empfehlung, sich links der Schlucht zu halten. Sie wickelte sich enger in ihr Cape, als sie merkte, um wie viel kälter es mit einem Mal geworden war.
    Als Nebel aufzog, entschied sie, sich zu beeilen. Irgendwo blökten Schafe. Die Luft roch erdig, und die Feuchtigkeit legte sich wie ein Schleier auf ihr Gesicht. Fast schien es Rowena, als streichelten die Nebelschleier ihre Haut. Unter ihren Füßen schmatzte das Erdreich, während die Dunstschwaden immer dichter wurden. Langsam stieg Furcht in ihr hoch. Warum nur war sie Alices Rat gefolgt? Bei dieser Wetterlage konnte man absehen, dass Nebel aufstieg. Gerade in Moorlandschaften. Die Angst pochte in ihrem Hinterkopf und lag im nächsten Moment wie ein saurer Geschmack auf ihrer Zunge. Sie tastete sich voran. Das hohe Gras zerrte an ihren Röcken. Doch da sie nicht sah, wohin sie sich wenden konnte, um den Büscheln zu entgehen, blieb sie und kämpfte sich Schritt für Schritt vorwärts. Der Boden unter ihren Füßen wurde zusehends matschiger. Schmatzende Geräusche begleiteten ihre Tritte.
    Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so allein und im Stich gelassen gefühlt. Hier im Moor war es totenstill. Im Gegensatz zu London, wo man selbst im dicksten Nebel noch etwas, irgendetwas hörte, war es hier so leise, dass Rowena ihren eigenen Pulsschlag wahrnahm. Ihre Finger verkrampften sich in ihr Wollcape. Sie könnte hier draußen in einem Moorloch versinken und sterben, und keiner wüsste, was mit ihr geschehen war. Ein Laut kitzelte ihre Ohren. Ganz leise, ganz sacht glitt er durch die Schwaden. Rowena erstarrte. Plötzlich war das Geräusch direkt vor ihren Füßen. Sie sah hinunter und erkannte eine Katze. Schwarz-weiß gemustert mit großen violetten Augen. Das Tier saß auf den Hinterbeinen und starrte Rowena an, als könnte es nicht glauben, dass sich ein Mensch hier, inmitten des Sumpfgebietes, herumtrieb. Der Stubentiger legte den Kopf schief.
    „Kätzchen, was machst du hier im Sumpf?“, fragte Rowena.
    Die Augen der jungen Katze glänzten. Sie maunzte. Erst leise, dann lauter und fordernder.
    „Kannst du mir den Weg nach draußen zeigen?“, erkundigte sie sich und kam sich fast albern vor. Andererseits war sie glücklich, dass die Katze aufgetaucht war. Das Tier drehte sich um. Rowena rechnete damit, dass es im Nebel untertauchen würde, doch es blieb stehen und sah zu

Weitere Kostenlose Bücher