Lustvolles Erwachen
drei Jahre jünger war als sie. »Wir haben es alle damals in Spanien geschworen. Willst du, dass wir unser Wort brechen?«
»Das will sie nicht«, mischte Diccan sich behutsam ein. »Und ich auch nicht. Ihr Verhalten macht Ihnen alle Ehre.«
Erstauntes Schweigen war die Antwort auf seine Worte. Bevor Grace widersprechen konnte, hatte er sich bereits erhoben und hielt nun ihre Hand. »Miss Fairchild«, sagte er und klang so erschöpft, wie sie sich fühlte, »ich weiß, dass Sie mich dahin wünschen, wo der Pfeffer wächst. Aber Sie können das Unvermeidliche nicht abstreiten. Und Sie können auch nicht mit diesen guten Freunden streiten, die nur Ihr Bestes im Sinn haben. Erlauben Sie mir, eine Sondergenehmigung einzuholen, damit wir heiraten können, bevor wir Canterbury verlassen?«
Sie machte den Mund auf, um Nein zu sagen, doch sie nahm die erwartungsvolle Stille wahr. Sie spürte die Blicke ihrer Freunde. Diccans Berührung schien sie zu ersticken. Vor seinen rätselhaften grauen Augen kam sie sich nackt und schutzlos vor. Sie fühlte sich klein und unbedeutend – was eigentlich lustig hätte sein können, da sie ohne Schuhe schon einen Meter achtzig maß. Aber vor allem war sie der Überzeugung, nicht tun zu können, um was er sie gebeten hatte.
Er konnte das nicht von ihr erwarten. Keiner von ihnen konnte das. Doch als sie in die Runde blickte, sah sie die grimmige Entschlossenheit auf den Gesichtern der Grenadiere und die Gewissheit in Kates Augen. In Diccans Augen sah sie nichts. Zumindest nicht die Verachtung, mit der sie eigentlich gerechnet hätte. Wenn sie Nein sagte, konnte sie noch immer nach Longbridge fliehen. Niemandem würde das etwas ausmachen. Niemand würde sie jagen oder sich an sie erinnern. Sie wäre nicht mehr als eine bedauernswerte unattraktive Frau, die einst mit dem angesehenen Lebemann Diccan Hilliard in Konflikt geraten war.
Aber wenn sie es tat, wenn sie Nein sagte, würde Diccan Hilliard sich im Morgengrauen auf der Heide wiederfinden und gegen diese fähigen Soldaten antreten müssen. Und es würde keine Rolle spielen, wer gewann. Diccans Zukunft wäre zerstört. Ihre Grenadiere könnten ebenfalls zu Schaden kommen. Und jemand, vielleicht sogar jemand, den sie liebte, könnte getötet werden.
Sie musterte all diese Menschen, die sie erwartungsvoll anblickten. Ihr Herz zog sich zusammen. Ihre Hoffnung auf ein ruhiges Leben schrumpfte.
»Antworte ihm, mein Mädchen«, forderte Harry sie leise auf.
»Lass sie in Ruhe«, zischte Kate.
Grace wollte Diccans Reaktion auf ihre Worte nicht sehen – sie schloss die Augen. »Es wäre mir eine Ehre, Ihren Antrag anzunehmen, Mr. Hilliard.«
Und mit diesen Worten lösten sich die Träume, die sie seit ihrer Kindheit hatte, in Luft auf.
Kapitel 3
Für Diccan wurde der Tag nicht besser. Er kam nicht einmal dazu, sein Frühstück zu beenden. Umgehend wurde er von einem Trupp missmutiger Soldaten aus dem Salon geführt.
»Schick jemanden ins Old Coaching Inn in Barham«, bat er Kate, als er an ihr vorbeikam. »Biddle wartet zweifelsohne dort und fragt sich, was aus mir geworden ist. Ich weigere mich, ohne die Hilfe meines Dieners zu heiraten.«
Diccan nahm an, dass Kate nickte, doch seine militärische Eskorte ließ ihm keine Zeit, um es herauszufinden. In geschlossener Front geleiteten sie ihn auf die St. Dunstan’s Street und am River Stour entlang zu dem Platz, an dem sich die Kirchturmspitzen der Kathedrale über die bunten Dächer Canterburys erhoben.
Diccan überlegte sich während des erzwungenen Spaziergangs, welche Argumente er vorbringen wollte, um möglichst schnell eine Heiratserlaubnis zu bekommen. Es gelang ihm sogar zu lächeln, als man ihm sagte, dass der ehrwürdige Erzbischof von Canterbury sich freuen würde, Mr. Hilliard zu empfangen.
Das Lächeln und seine Redegewandtheit verschwanden in der Sekunde, als er das Büro seines Cousins betrat. Cousin Charles wartete tatsächlich mit einem herzlichen Lächeln auf den Lippen auf ihn. Aber er wartete nicht allein. In einem der Ledersessel saß, als wäre es ein Richterstuhl, der ehrenwerte Pastor Lord Evelyn Richard Garwood Hilliard, Bischof von Slough.
Wie die Etikette es verlangte, begrüßte Diccan zuerst den Erzbischof. »Cousin Charles«, sagte er und ergriff die Hand des würdevollen Mannes. Dann verbeugte er sich vor dem Gast des Erzbischofs. Seine professionelle Miene verbarg seine Verachtung. »Vater. Ich wünsche dir einen guten Tag.«
»Was hast du mit
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