Lustvolles Erwachen
wäre es ein ganz gewöhnlicher Morgen. Sie beachtete Barbaras hochgezogene Augenbraue beim Anblick ihres Baumwollnachthemds nicht. Sie war zu beschäftigt damit, ihre nächste Begegnung mit Diccan zu planen. Sie mussten das, was in der vergangenen Nacht passiert war, vergessen. Und Grace wusste, dass Männer nicht gern mit ihren Fehlern konfrontiert wurden. Also würde es an ihr liegen, ihre gemeinsame Zukunft zu bestimmen.
»Wissen Sie, ob Biddle schon Mr. Hilliard geweckt hat?«, fragte sie, während sie ihr Haar hochsteckte.
Die hübsche blonde Frau runzelte die Stirn. »Ich glaube, Mr. Hilliard ist schon zum Frühstück nach unten gegangen, Ma’am.«
Grace seufzte. Sie hätte lieber allein mit ihm gesprochen, aber sie hatte nicht vor, diese Möglichkeit, ihn zu beruhigen, ungenutzt verstreichen zu lassen. Sie bedankte sich bei Schroeder, nahm ihre Listen und trug sie ins Speisezimmer, wo Diccan saß und bei Kaffee und einem Rindersteak die Times las.
»Guten Morgen, Diccan«, begrüßte sie ihn und war erleichtert, dass sie so nüchtern klang.
Sein bloßer Anblick ließ ihr Herz beunruhigend stolpern. In seiner tabakbraunen Jacke und der blassbraunen Kniebundhose sah er sehr gepflegt aus. Sein Haar war in sanfte Wellen gelegt. Nichts erinnerte mehr an die wilden Locken der vergangenen Nacht. Dieser gut aussehende Mann hatte ihr gehört – wenn auch nur kurz.
»Meine Liebe«, sagte Diccan und sprang auf, um ihr den Stuhl zurückzuziehen.
Bei der Anspannung in seinem Gesicht wäre Grace beinahe zusammengezuckt. Er konnte sie kaum ansehen. Für diesen bedeutungsvollen Moment hing das, was passiert war, zwischen ihnen, und Grace hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Sie hätte schwören können, ihn in sich zu spüren und dieses erstaunliche, faszinierende Gefühl der Erfüllung zu fühlen. All die verbotenen Empfindungen, die er in ihr ausgelöst hatte, trieben ihr die Röte ins Gesicht. Doch er wirkte so gequält.
»Danke«, sagte sie und bemühte sich, möglichst ungerührt zu klingen, als sie sich setzte. »Oh, das Steak sieht wundervoll aus.«
Ein Kellner tauchte an ihrer Seite auf. »Steak, Madame?« Er klang leicht erschrocken.
Sie legte ihre Listen ab und lächelte. »O ja. Blutig, bitte. Und Eier. Und, oh, Brötchen mit Streichrahm und Marmelade. Tee und … hm, vielleicht ein paar Früchte. Haben Sie Orangen? Seit ich in Spanien gelebt habe, habe ich eine Schwäche für Orangen.«
Der Kellner verbeugte sich und verschwand. Diccan nahm wieder Platz und warf ihr ein trockenes Lächeln zu. »Bist du dir sicher, dass der Kellner nicht einfach ein Rind auf den Tisch packen sollte – und fertig?«
Sie lachte leise. »Ich fürchte, ich bin keine dieser zerbrechlichen Schönheiten, die wie ein Vögelchen essen.«
»Ach, ich weiß nicht. Ich habe schon Vögel gesehen, die genauso viel essen. Das waren allerdings Andenkondore.«
Wieder lachte sie. »Beizeiten würde ich gern mehr darüber hören. Aber für den Moment kannst du in Ruhe deine Zeitung zu Ende lesen. Wenn du später allerdings ein paar Minuten Zeit hättest, würde ich gern deine Meinung über ein paar zum Verkauf stehende Anwesen hören. Ich hatte gehofft, heute mit den Besichtigungen anfangen zu können.«
Jeder andere hätte nur die seltsame Belustigung in Diccans Augen gesehen. Grace dagegen bemerkte, wie die Bestürzung der Überraschung wich und sich schließlich Erleichterung in seinem Blick zeigte. Sie hatte das Gefühl, er hatte für ihre erste Begegnung das Speisezimmer gewählt, damit sie ihn nicht auf die letzte Nacht ansprechen konnte. Hoffentlich war er jetzt beruhigt. Sie hatte genauso wenig ein Interesse daran, über das zu sprechen, was geschehen war, wie er. Ihr Körper erinnerte sie daran, wie dumm sie gewesen war. Ihre Brüste schmerzten, und ihre Gliedmaßen fühlten sich noch immer schwach und zittrig an.
»Du machst mich fertig, meine Liebe«, sagte er und wies mit einem Kopfnicken auf die Blätter, die sie auf dem Tisch ausgebreitet hatte. »Was tust du nach dem Mittagessen? Eine Invasion vorbereiten?«
»Noch nicht. Zumindest nicht, bis meine Garderobe geliefert worden ist.«
»Du solltest dich heute oder morgen mit Kate treffen. Sie kann sich die Anwesen genauso gut ansehen.«
Der Kellner kehrte zurück und schenkte Tee ein. Grace konzentrierte sich auf den bitteren Geschmack und nicht auf die Ungerechtigkeit von Diccans Worten. »Warum warten?«, fragte sie. »Traust du deinem eigenen Geschmack
Weitere Kostenlose Bücher