Lustvolles Erwachen
nicht?«
»Es liegt nicht an mir …« Jäh hielt er inne, und sie sah, dass sie ihn nervös gemacht hatte. Er hielt seine Frau für einen Tölpel und wollte es ihr nicht sagen. Plötzlich wollte Grace ihn dazu zwingen.
»An mir liegt es auch nicht«, entgegnete sie knapp und blätterte ihre Listen durch. »Ich verstehe, dass du eher an Lady Kates Geschmack gewöhnt bist, doch sie wird nicht dort wohnen. Wir werden dort wohnen.«
Sie blickte auf und rechnete damit, Verärgerung in seinem Blick zu sehen. Sie spürte, wie ihr Herz wieder zu stolpern begann, denn sie nahm kurz Reue, Ungewissheit wahr … ein starker Ausdruck dieser Gefühle. Aber Diccan war ein Meister darin, seine Gefühle zu verbergen, doch sie hatte es gesehen – und es tat weh.
Grace hatte jahrelange Erfahrung darin, ihre Kränkung nicht zu zeigen. Glücklicherweise wurde in diesem Moment das Frühstück gebracht. Der Kellner stellte einen vollen Teller auf den Tisch. Es war eine gute Art und Weise, die nächsten Minuten zu verbringen, auch wenn sie eigentlich den Appetit verloren hatte. Diccan widmete sich wieder der Times, und sie betrachtete ihre Listen.
»Ich habe heute Vormittag eine Verabredung in Whitehall. Ansonsten hätte ich mir die Anwesen mit dir angesehen«, sagte er irgendwann. »Ich habe nur vorgeschlagen, dass du dir Kates Rat holen könntest, weil sie sich in London auskennt. Ich wollte dich nicht verletzen.«
Grace unterdrückte ein Seufzen. »Selbstverständlich wolltest du das nicht. Woher sollst du auch wissen, dass mein Geschmack nicht so fürchterlich ist? Wenn es dir lieber ist, werde ich auf Kate warten. Aber ich hasse es zu warten. Es wäre vielleicht hilfreich, wenn du mir einfach verrätst, was dir gefällt.«
»Du zuerst«, erwiderte er und legte die Zeitung beiseite. »Hast du eine Ahnung, was du willst?«
Einen Moment lang kämpfte sie gegen eine Welle der Traurigkeit. O ja, sie wusste, was sie wollte. Sie hatte ihr gesamtes Leben damit verbracht, Longbridge einzurichten, damit sie sich dort wohlfühlte. Es hätte ihr Zuhause sein und ihr allein gehören sollen. Es hätte ein Ort sein sollen, an dem sie sie selbst sein konnte, ohne Angst haben zu müssen, dass man sich über sie lustig machte.
Wenn sie allerdings die Kleidung in Schwarz und Weiß betrachtete, die Diccan zu tragen pflegte, glaubte sie kaum, dass er für das Zuhause, das ihr vorschwebte, schon bereit war. Sie war sich nicht einmal sicher, ob er jemals dafür bereit sein würde. Wenn sie ihn besser kannte oder wenn sie ihm mehr vertraute, würde sie ihre Majolika-Stücke – bunt bemalte Keramiken – oder ihre goldene Ganesha-Statue hervorholen. Sie würde ihm Bhanwar Singh vorstellen und ihn mit Currygerichten verwöhnen. Aber im Moment durfte sie nicht vergessen, dass es ihr Plan war, das zu sein und zu verkörpern, was Diccan brauchte.
»Na ja«, sagte sie und schmierte Butter auf ihr letztes Brötchen, »ich würde mir wünschen, dass unser Haus nicht wie ein Kuhstall oder eine ausgebombte Kirche aussieht. Ich kann nicht sagen, dass mir das gefallen würde.«
Er zog eine Augenbraue hoch. »Ein Kuhstall?«
Sie lächelte. »Sehr warm im Winter. Und Kühe sind sehr genügsame Hausgäste.«
»Keine Kühe – egal, wie gefällig sie sind. Hauswirtinnen in Mayfair sehen Nutztiere nicht gern.«
»Aha. Das ist etwas, bei dem wir uns schon mal einig sind. Noch etwas?«
Er sah aus, als würde er tatsächlich darüber nachdenken. »Durch meinen Job habe ich nie irgendwo Wurzeln schlagen können. Doch wenn du Kates Stil als Vorlage nimmst, könnte ich mir vorstellen, dass es passt.«
»Klare Linien, und sonst sehr schlicht und nicht zu überladen.«
»Genau.«
Sie nickte und betrachtete ihre Liste mit Möbelbauern. »Das sehe ich genauso. Krokodilfüße gehören in einen Fluss, nicht an ein Sofa. Gibt es Familienschätze, die einen besonderen Platz benötigen? Ich habe gehört, dass du ein Anwesen in Gloucestershire besitzt. Gibt es dort etwas, das hierhergebracht werden sollte?«
»Gott, nein, das ist ein freudloses, düsteres Haus. Das einzige Bild dort zeigt meinen Großonkel Philbert, der noch freudloser und düsterer war als sein Haus. Ich war mir immer sicher, dass er mich in einen Ofen stoßen und mich zum Abendessen braten würde. Ich kann mir nicht vorstellen, welche Wirkung er auf die Kinder haben würde.«
Grace fing an, leise zu lachen. Als sie jedoch aufblickte, bemerkte sie, dass Diccan still geworden war. Er starrte sie mit
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